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Montag, 22. Dezember 2014

Bei Ochs und Esel







„Wie feierst du Weihnachten?“ fragt mich Kollege Angelo und ich muss zugeben, dass es bei mir zur Zeit Stress mit der Verwandtschaft gibt. Ich schiebe den Gedanken daran etwas von mir.
„Deshalb habe ich darauf bestanden, mit meinem Mann Lucien in diesem Jahr alleine zu feiern.“ fährt er fort. „Mit seiner französischen Verwandtschaft gibt es jedes Jahr Streit und ich möchte diesmal ein friedliches Fest.“

Mit weit ausholenden Bewegungen, wie es sich für einen Italiener gehört und leicht entrückten Blick erklärt er mir:
„Weißt du, ich möchte so feiern, wie früher zu Hause in Neapel. Ich gehe zwar nicht in die Kirche, bin aber ein gläubiger Mensch. Wir sollten uns doch daran erinnern, dass wir den Geburtstag von Jesus feiern, der in dieser Nacht vor etwa 2000 Jahren zur Welt kam!“
Zusammen mit Lucien möchte er kochen, Musik hören und einen gemütlichen Abend verbringen. Alles ist schon vorbereitet.
„Ich habe einen Christbaum aufgestellt, der ist zwar etwas kitschig, aber mir gefällt das und darunter steht die Krippe für das Christuskind.“
Traditionsgemäß darf der Pannetone von Bauli, den er in der Markthalle gekauft hat auch nicht fehlen.
„Um Mitternacht nehme ich dann das Jesuskind und lege es in seine Krippe. So, wie wir es in Italien gemacht haben. Danach schneide ich den Pannettone an und dazu trinken wir ein Glas Champagner.“

Ich bekomme Gänsehaut, so sehr rührt mich seine Ausführung und zeige Angelo, wie sich auf meinem Arm die Härchen aufstellen. Von ihm kommt darauf ganz spontan:
„Wenn du Ruhe haben willst, dann feiere doch einfach mit uns!“
Natürlich werde ich diesen Abend mit meiner Familie verbringen, jedoch ist diese Einladung für mich ein ganz besonderes Geschenk, das mich ein wenig stolz macht.

Wir sollten uns den eigentlichen Gedanken dieser Nacht wieder bewusst machen. Menschen verschiedener Nationalitäten und Lebensformen versammeln sich friedlich, wie vor 2000 Jahren in einem Stall bei Ochs und Esel ...



Mittwoch, 17. Dezember 2014

The same procedure as every year






Der ruhigste Ort im Dezember ist die Damen-Abteilung im Kaufhaus.
Frauen sind während dieser Zeit mit ihren Weihnachts-Einkäufen beschäftigt, und weniger an Kleidung interessiert. Eventuell wird noch ein Schal zum Verschenken gesucht, oder sonst eine Kleinigkeit.
Dort ist auch nicht sehr viel von einer Weihnachtsstimmung zu spüren. Irgendwo steht zwar ein Tannenbaum, und die Musik-Berieselung bemerke ich auch nur noch bei genauem Hinhören.
Kurz vor dem Fest suchen manchmal verzweifelte Männer etwas, womit sie ihre Gattin oder Freundin beeindrucken können. Richtig rührend wirken sie in ihrer Hilflosigkeit. Ich gebe mein Bestes. Meistens sehen allerdings die verliebten Augen eines Mannes mehr oder weniger Kurven an ihrer Partnerin, als vorhanden. Haben wir dann zusammen etwas ausgesucht, sind sie so glücklich, als wäre ich ein Engel, der ihnen direkt vom Himmel geschickt wurde.

Am Ende solch eines Arbeitstages trete ich vor die Türe und blicke auf die reich und fantasievoll geschmückten Dächer der Buden des Weihnachts-Marktes. Die ganze Pracht wurde wohl deshalb auf die Dächer verlagert, weil unten durch die dichtgedrängten Menschenmassen der Blick verstellt ist.
Drangvolle Enge überall und ein Durchkommen ist ohne ein gemäßigtes Einsetzten der Ellbogen kaum möglich. Über allem schwebt eine Wolke von aromatisiertem Rotwein. In einer Nische, die durch das zurückwerfen der Schallwellen eine gute Akustik verspricht, stehen ein paar Bläser aus St. Petersburg und spielen Stille Nacht....(Die armen Einwohner von St. Petersburg haben vor Weihnachten keine Musik, weil alle ihre Musiker auf deutschen Märkten stehen).
Die Buden sind auf zwei Plätze verteilt, die durch ein Straße verbunden sind – da muss ich durch. Als wenn man versuchen würde, einen reißenden Strom zu durchqueren, bin ich bemüht, mir einen Weg zu bahnen, immer auf der Hut, nicht vom Glühwein verbrüht zu werden, oder in einem Kinderwagen zu landen.

Ich will meinen Zug erreichen! Beinahe erfasst mich Panik.

Atemlos und erschöpft erreiche ich dann doch meine Bahn, die überfüllt ist mit Personen, die sich, voll bepackt mit Tüten und Kartons ebenso auf dem Heimweg befinden. Manche haben auch etwas zu viel vom Glühwein genossen, und haben Mühe, die Richtung zu finden oder sich aufrecht zu halten.

Bei so viel Weihnachts-Rummel möchte ich zu Hause nur noch abschalten. Dort empfängt mich jedoch die Familie mit ihren Erwartungen.
Meine Mutter verkündet jedes Jahr trotzig, sie bleibe am Fest zu Hause vor dem Fernseher, was natürlich überhört wird.
Die Tochter besteht auf der Tradition, eines reich geschmückten Weihnachtsbaumes, und um uns zu entlasten, möchte sie dies auch selbst vornehmen. Zwei Tage zuvor kommt sie angereist, da sie sich vor Heilig Abend traditionell mit ihren Schulfreunden trifft. Solche Freundschaften sind etwas Seltenes, deshalb wird das Wiedersehen bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.
Am nächsten Tag muss ich sie dann um die Mittagszeit, daran erinnern, dass sie den Baum schmücken wollte und sie deshalb langsam aufstehen sollte. Am Nachmittag haben wir dann auch jedes Jahr einen wunderschönen Baum mit Wachskerzen.

Die Ersten sind schon auf dem Weg zur Kirche. Es ist auch Beeilung angesagt, um einen Platz zu ergattern. Denn einmal im Jahr möchte man doch wenigstens für die Kirchensteuer etwas geboten bekommen.
Für mich beginnt in jedem Jahr Weihnachten, wenn vom Rathausturm die Turmbläser Weihnachts-Lieder spielen. Viele versammeln sich auf dem Platz davor und genießen mit mir, den Moment des Abschaltens von der Hektik.

Wieder zu Hause werden die Lichter angezündet und Geschenke verteilt, und anschließend versammeln wir uns um den Tisch zum Festessen. - Ohne einen riesigen Vogel, der uns mit seiner Masse zu erschlagen droht.
Ich koche gerne, sogar sehr gerne, was dazu geführt hat, dass die Ansprüche der Familie auch stetig wachsen. Nach drei Tagen, die ich fast ausschließlich in der Küche verbracht habe, ist der Enthusiasmus trotzdem etwas verflogen.

Am ersten Tag nach Weihnachten, beginnt in in der Damen-Abteilung das eigentliche Weihnachts-Geschäft. Fast jeder hat Urlaub, und den ganzen Stress hinter sich gelassen. Geldgeschenke werden in Waren umgetauscht, Gutscheine eingelöst, und die Männer, die vor wenigen Tagen noch so glücklich schienen, tauschen mit verlegener Miene um.

Ach wie freue ich mich auf den Neujahrstag, da ist Weihnachten noch so weit weg!





Sonntag, 7. Dezember 2014

MADE MY DAY






Seit ich überall diesen Life-Coaches, Mentaltrainern und Therapeuten begegne, fühle ich mich wie eine Feder im Wind.
Ganz im Hier und Jetzt lebend und frei von Zukunftsängsten.

Den Job gehe ich täglich mit Begeisterung an, allein weil er mich erfüllt und ich weder für Geld noch für den Chef arbeite. Sollte ich doch irgendwann dem Gefühl begegnen, in einer Sackgasse angekommen zu sein, habe ich jederzeit die Möglichkeit, alle Brücken hinter mir abzubrechen und eine völlig neue Richtung einzuschlagen.

Ich ignoriere die hilfesuchenden Anrufe meiner desorientierten Mutter und die Lebenskrise meiner Tochter. Es ist schließlich MEIN Leben, dem ich mit Achtsamkeit zu begegnen habe und mache mich frei, von dem Gedanken, die Erwartungen Anderer erfüllen zu müssen. Nichts und niemand hat das Recht mich zu vereinnahmen.

Morgens um fünf Uhr beginne ich mit der Meditation, während der ich zu meiner inneren Mitte finde, um danach mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen den jungen Tag zu begrüßen.

Doch eigentlich …

Im Hier und Jetzt ziehe ich mir die Bettdecke über den Kopf, weil ich keinen Bock auf diese Welt habe, die mir jeden Tag ein Stück von meiner Kraft raubt.
Manchmal sehnt man sich nur nach etwas Ruhe, aber im Alltag ist sie schwer zu finden.

Freitag, 21. November 2014

Glotz' TV!


Ja, glotz' mal wieder TV! Heute ist nämlich Tag des Fernsehens. Nach einem anstrengenden Arbeitstag hat man es sich schließlich verdient, satt und zufrieden auf dem Sofa zu sitzen und sich an dem spannenden Leben der Anderen zu ergötzen, wo man doch selber im täglichen Einerlei versinkt.

Sieh mal genauer hin! Lass dich nicht nur von den schönen bunten Bildern einlullen, die dir vorgaukeln wollen, wie das Leben da draußen aussieht. Verschließ nicht die Augen vor den hässlichen Bildern, bei denen man wegsehen möchte, weil sie unangenehm sind!
Es gibt in der realen Welt Millionen von Kindern die tagtäglich benutzt, mißhandelt und gedemütigt werden. Kleine Seelen, die für immer zerstört sind, denen das Recht auf ein freies, selbstbestimmtes Leben auch in der Zukunft nicht gegeben ist.

Denk mal dran, es könnte auch ein Kind in deiner Nachbarschaft betroffen sein und nicht ganz weit weg in Afrika oder Indien!

Heute ist nämlich auch der Tag der Kinderrechte.



Samstag, 15. November 2014

Gewissensbisse





Komm, wir gehen in das italienische Modehaus, wo heute ein Jubiläum gefeiert wird oder irgend etwas anderes. Auf jeden Fall gibt es Sekt gratis. Die sind mir ohnehin noch eine Antwort schuldig.
Stell dir vor, ich habe mich vor zwei Tagen für einen Mantel interessiert, der aber keinen Hinweis enthält, wo er hergestellt wurde. Auch konnte mir keine der Verkäuferinnen eine Auskunft geben. Ich habe verlangt, dass man bei der Herstellerfirma nachfragt, denn ein in China produziertes Kleidungsstück würde ich niemals kaufen.

-Hallo, wir möchten auch zwei Gläser Prosecco!

Man hört doch soviel darüber, unter welchen schrecklichen Umständen in diesem Land Kinder gezwungen werden für einen geringen Lohn zu arbeiten und ich soll dann 600 Euro für solch einen Mantel bezahlen! Das sehe ich wirklich nicht ein. Immer müsste ich an die armen Kinder denken.

Also weißt du, China ist mittlerweile auch kein Billiglohnland mehr. Seit es mit der Wirtschaft dort stetig aufwärts geht, werden höhere Löhne gezahlt.

Aber im Fernsehen zeigen sie doch so grässliche Bilder, wie Frauen unter den Trümmern von maroden Fabriken begraben werden. Daran möchte ich ganz bestimmt nicht die Mitschuld tragen.

Das ist in Indien passiert, was du da gesehen hast.
Dort sind die Zustände tatsächlich erschreckend, aber für die Mädchen ist es die einzige Möglichkeit, für sich und ihre Familien zu sorgen. Sollten wir nichts mehr kaufen, würden wir ihnen die Existenzgrundlage entziehen.
Die Konzerne müssen zum Handeln gezwungen werden.

Wenn das so ist, dann kaufe ich lieber einen Mantel beim Discounter. Da zahle ich dann weniger als die Hälfte und muss trotzdem kein schlechtes Gewissen haben.

Ach, schenken sie mir doch nochmals so einen Prosecco ein!
Wissen sie, mein Kreislauf ...





Sonntag, 2. November 2014

Unfrisierte Erinnerungen





In ganz Deutschland herrscht Goldgräberstimmung.
Kurz nach dem Fall der Mauer, im April 1990 sucht beinahe jeder sein Glück im anderen Teil der Republik. In Ostdeutschland ist man auf der Suche nach Jobs und westdeutsche Firmen erhoffen sich einen riesigen Markt im Osten.
So auch eine große Kosmetikfirma, die dort ihren Bekanntheitsgrad ausdehnen will. Zur Vermarktung ihrer Haarpflege-Produkte engagiert sie den süddeutschen Friseurverband.
Mein Friseur Heinz ist natürlich auch mit von der Partie, da er sich schon durch diverse Preise einen Namen erworben hat. Ich habe mich für ihn schon des öfteren als Frisuren-Model zur Verfügung gestellt, deshalb werde ich gleich mit engagiert.

Frühmorgens erwartet uns ein super moderner Luxusbus, bereits besetzt mit wichtigen Leuten aus dem Management der Innung und der Kosmetikfirma, ein paar Jungfriseuren und noch mehr Models.
Etwas schläfrig, und von der Bus-Disco berieselt fahren wir gen Osten.
Erst als sich die Landschaft in ein sattes Grau verwandelt, bemerke ich, dass wir den Westen verlassen haben. Bald ragen aus dieser Ödnis überraschend weiße Flaggen mit roter Aufschrift. - „Toyota“ war schon vor uns da und je näher wir Leipzig kommen, desto mehr Autofirmen begegnen uns. Bei der bislang chronischen Unterversorgung, erhoffen sie sich einen riesigen Boom.
Unser Bus scheint ungewöhnliche Aufmerksamkeit zu erregen. Als wären wir Pop-Stars, stehen Menschen am Straßenrand und winken uns zu. Das Gefühl, so freundlich empfangen zu werden, ist einerseits überwältigend, andererseits einigermaßen irritierend. Womit haben wir uns das verdient? Heißt man uns als Gäste willkommen, oder als Botschafter der lang ersehnten Kulturgüter?
Auf dem Weg zu unserem Auftrittsort fahren wir durch die Innenstadt von Leipzig. Mit ihren alten Gebäuden wirkt sie sehr beeindruckend. Wenn nur nicht alles von diesem Grau überzogen wäre, hervorgerufen durch den Ausstoß der Braunkohle-Heizungen.
Noch ist auf den Gehwegen vor einigen Kellerfenstern Braunkohle aufgehäuft und wartet darauf, in die Keller befördert zu werden.

Bevor wir der Stadt etwas bieten, werden wir zum Essen eingeladen. In ein großes Speiselokal in dem zu seiner Zeit Staatssekretär Honecker bei seinen Besuchen zu dinieren pflegte. Das Lokal besitzt die nüchterne Atmosphäre einer Bahnhofshalle, ist aber durch unzählige kleine Lampen an der Decke hell erleuchtet. Die Kellner, an den Umgang mit prominenten Gästen gewöhnt, sind flink, devot und zu keinem Lächeln bereit.
So verwöhnt, brechen wir auf, um in einem Rundbau in der Innenstadt das Abendprogramm zu gestalten. Bei unserem Eintreffen sind alle noch mit den Vorbereitungen beschäftigt.
Bevor sich der Saal füllt, wird noch eifrig geputzt.
Das Interesse ist überwältigend. Der Saal ist bald bis zum letzten Platz besetzt.
Heiz beginnt die Schere zu schwingen. Haare fliegen während er erklärt und seine kleinen Anekdoten und Witze erzählt. Der Föhn summt, es wird toupiert und zuletzt verschwindet die ganze Pracht in einem Nebel von Haarspray. Ich präsentiere das Kunstwerk auf der Bühne von allen Seiten. Die anderen Models gesellen sich mit ihren Kreationen dazu und das Publikum applaudiert mit großer Begeisterung.
Der größte Teil des Abends wäre somit bestritten. Ganz zum Schluss ist noch ein „Lambada“, von uns getanzt vorgesehen, auf besonderen Wunsch von ein oder zwei reiferen Herren vom Management. Aber zuvor steht noch eine musikalische Einlage von Musikern des Gewandhaus-Orchesters auf dem Programm.
Man stelle sich vor, da kommen ein paar Friseure mit ihren Modellen aus der Provinz und treten zusammen mit dem weltberühmten Gewandhaus-Orchester auf!
Bei den Klängen einer Komposition von Bach herrscht andächtige Stille. Wir sind überwältigt. Erfüllt von diesem wunderbaren Konzert möchte man im Anschluss nur nach Hause gehen und den Nachhall genießen.
LAMBADAAAA !!!
In unseren pinkfarbenen Röckchen und den knappen Oberteilen sind wir an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Jeder von uns spürt dies, aber da die Organisatoren es sich so wünschen, muss die Show weitergehen. Vielleicht hält man uns nun im Osten für Banausen ohne Kunstverstand.

Nach unserem unrühmlichen Abgang in Leipzig wird alles schnell zusammengepackt und im Bus verstaut, da wir noch am selben Abend weiterfahren. Nach Karl-Marx-Stadt oder Chemnitz, so genau weiß man das noch nicht. Die Entscheidung über den neuen, endgültigen Städtenamen steht noch aus.
Gegen Mitternacht kommen wir dort an, um im besten Hotel der Stadt zu übernachten. Auf dem Platz davor prangt ein monumentaler Kopf von Karl Marx, der mit versteinerter Miene geradeaus blickt, was höchstwahrscheinlich am Material liegt, aus dem er geschaffen ist.
Wie Johannes der Täufer nach der Enthauptung thront dieser Kopf auf einem Sockel. War nur sein Kopf von Bedeutung? Das Herz und was sonst noch eine Menschen ausmacht, ist zu vernachlässigen? Ich bin zu müde, um mir weitere Gedanken darüber zu machen.
Das Zimmer, welches ich mir mit einem anderen Model teile, erinnert mich an ein Kinder- oder Jugendzimmer. Die zwei Betten aus Pressspan stehen hintereinander und haben einen Umbau mit verschiedenen Fächern.
So schnell wie möglich ins Bett! Nur noch Waschen und Zähneputzen.
Das Bad! - In einem 1. Klasse Hotel hätte ich niemals erwartet, solch ein Bad vorzufinden.
Eine schwarz gekachelte Höhle, unterbrochen von komplett anders gestalteten Fliesen. Es wurde wohl eingebaut, was gerade aufzutreiben war.
Am Wasserhahn über dem Waschbecken hängt ein kleiner orangefarbener Gummischlauch. Zuletzt sah ich das bei meiner Großmutter auf dem Bauernhof über dem Spülstein.
Beim Blick in die Dusche, eröffnet sich mir eine fremde Welt. Die Mulde will man nicht unbedingt mit bloßen Füßen betreten und beim Blick nach oben, in Richtung des Duschkopfes, ragen von der Decke lange, schwarze Schlieren wie die Stalagmiten einer Tropfsteinhöhle.
Da stellt sich nun die Frage: Was ist hygienischer, sich in diese Tropfsteinhöhle zu stellen, oder ausnahmsweise nicht zu duschen. Ich entscheide mich für Letzteres.

Nach der morgendlichen Katzenwäsche und dem Frühstück soll es zu unserem nächsten Auftrittsort, einem sogenannten „Volkseigenen Betrieb“ gehen. Das „Management“ ist mit dem Bus bereits vorausgefahren. Wir Modelle werden von Heinz in einem nahegelegenen Friseursalon für den Auftritt vorbereitet. Zurück im Hotel bittet er die Dame an der Rezeption, uns ein Taxi zu rufen.
Mehrmals, und mittlerweile ziemlich nervös, weil ohne Erfolg, dreht sie an der Wählscheibe ihres roten Telefons.
„Mit einem roten Telefon kommt man bei uns direkt zu Gorbatschow und hier reicht die Verbindung nicht mal bis zum nächsten Taxistand!“ meint Heinz nun doch etwas ungeduldig.
Der jungen Frau steht die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben: “Es ist Sonntag und bei uns ist heute Jugendweihe, da sind alle Taxis ausgebucht.“
Irgendwann steht dann doch ein „Wartburg“ vor dem Eingang. Für vier Fahrgäste wird es ziemlich eng, aber sowohl für den Fahrer, als auch für uns wird die Fahrt ein heiteres Erlebnis.
Im „VEB“ bekommen wir in der Kantine ein Mittagessen serviert, bei dessen Anblick das Wort Sättigungsbeilage eine eigene Bedeutung erhält.

Vielleicht liegt es an der Tageszeit, oder an der Lokalität, oder auch an der Jugendweihe, dass die Zuschauer an diesem Nachmittag nicht so zahlreich erscheinen, wie am Abend zuvor.
Zwischen dieser Stadt und uns will ein Sympathiefluss noch nicht ungehindert strömen.

In Karl-Marx-Stadt (oder Chemnitz) halten wir uns nicht mehr lange auf. Das nächste Ziel unseres Werbefeldzuges in den Osten ist Dresden. Die Perle Sachsens, die durch den Krieg ein schweres Erbe angetreten hat. Ich bin wirklich neugierig, was man uns vierzig Jahre vorenthalten hat.
Am späten Sonntag-Nachmittag erreichen wir Dresden.
Entlang der Elbe fahrend, eröffnet sich uns auf der gegenüberliegenden Seite der Blick auf die wunderbare barocke Silhouette der Stadt mit ihren alten Gaslaternen und den restaurierten Gebäuden.

In der Prager Straße sollen wir in einem Friseursalon für unseren nächsten Auftritt vorbereitet werden.
Was ist nur aus dieser einst prachtvollen Flaniermeile geworden? - Eine kahle Betonwüste!
Der Salon ist für diese exponierte Lage viel zu groß. Im Westen wäre die Miete unbezahlbar.
Wir nehmen Platz auf den Sesseln, einem Standartmodell, dem man hier überall begegnet. In der Luft liegt der leicht ätzende Duft von Dauerwell-Tinktur und auf den Frisiertischen stehen unbeschriftete Fläschchen mit toxisch anmutenden Flüssigkeiten in rot, gelb und blau. Haarfärbemittel. Glücklicherweise müssen wir nicht darauf zurückgreifen.
Der Besitzer ist äußerst stolz, uns bei sich empfangen zu dürfen. Er hofft auf einen Vertrag mit der Kosmetikfirma, die ihm den Salon modernisieren soll. (Nicht nur er wartet auf die versprochenen blühenden Landschaften.)

Dem Dresdener Publikum stellen wir uns am Abend im Hygiene-Museum vor.
Im weitesten Sinne bieten wir zwar auch Körperpflege an, aber im Museum...? Vom gläsernen Menschen, der dort stehen soll habe ich gehört. Auf Knopfdruck kann man die einzelnen Organe zum Leuchten bringen, aber wie will man uns dort in Szene setzen?
Tatsächlich gibt es auch noch einen großen Saal, in dem für uns ein langer Laufsteg aufgebaut wurde.
Vor ausverkauftem Haus, präsentieren wir nochmals internationales Friseur-Handwerk.
Voller Schwung, im Takt der Musik betrete ich solo den Laufsteg.
… zack – das Licht ist weg. Mich umgibt rabenschwarze Nacht. Wir haben es wohl geschafft, das Stromnetz zum Erliegen zu bringen. Hilflos und regungslos stehe ich da.
Doch man hat dort alles im Griff. Die Scheinwerfer sind wieder auf mich gerichtet und ich kann meinen Lauf beenden. Sogar ein extra Applaus wird mir zuteil, oder soll er den patenten Handwerkern gelten, die im Hintergrund das Malheur so schnell behoben haben?

Kein 'Lambada' zum Abschluss, dafür werden Geschenk-Sets, die einen Fön und Haarpflegemittel enthalten an einige Zuschauer in den vorderen Reihen verteilt.
Der Gedanke an eine Raubtierfütterung drängt sich auf, wie die Hände sich gierig nach den Plastik-Beuteln ausstrecken.
Auf diese Weise wird mit Sicherheit der falsche Eindruck vermittelt, im Westen sei alles im Überfluss vorhanden und große Geschenke werden einfach unters Volk geworfen. Dabei ist doch die einzige Bestrebung, in den Menschen, die noch nicht durch eine Werbe-Flut abgestumpft sind die Sehsucht nach dieser Marke zu wecken, der sie von nun an ein Leben lang die Treue halten sollen.
„Sitzt im Publikum eine Frau, die in nächster Zeit heiraten möchte?“
Sofort wird eine Hand nach oben gestreckt.
„Haben sie schon ein Brautkleid? Noch nicht? - Dann bekommen sie von uns eines geschenkt!“
Weinend vor Glück und unter tosendem Applaus nimmt die junge Frau den Traum in Weiß entgegen.

Zwei erfolgreiche, aber anstrengende Tage liegen hinter uns. Müde, aber immer noch angespannt fahren wir zu unserem Nachtquartier.
„Nach Bautzen!? - Das ist doch ein berüchtigtes Gefängnis!“
Was erwartet uns wohl heute?
Im Gefängnis landen wir nicht, dafür in einer von einem freundlichen Ehepaar privat geführten Pension mit beinahe westlichem Standard. Die absolute Krönung ist das kalte Buffet, das für uns aufgebaut wurde. Nach dem Entzug von kulinarischen Highlights stürzen wir uns auf belegte Wurst- und Käsebrote, Spreewälder Gurken, Eiern und, und, und...
Dazu Radeberger Pils, was auch die allgemeine Stimmung merklich steigen lässt. Das Wirts-Ehepaar bedient uns zuvorkommend, reserviert und etwas unsicher, ob man diesen verrückten Wessies wirklich trauen kann.
„Gibt's auch Rotkäppchen-Sekt hier?“ erkundigt sich Heinz und erzählt einen Witz nach dem anderen. Natürlich bekommen wir auch den gewünschten Sekt und Heinz lädt die Wirtsleute ein, sich zu uns an den Tisch zu setzen. Der Alkohol zeigt seine Wirkung und bald dürfen wir auch über Sachsen-Witze lachen.
Bis zur wirklichen Einheit ist es noch ein langer Weg, aber ein winziger Anfang ist gemacht.







Sonntag, 26. Oktober 2014

Hoffnung





Für einen Samen bedarf es weniger als eine Handvoll Erde, um aufzugehen.
Die Natur verleiht ihm die Kraft, selbst aus einem Stein einen Baum wachsen zu lassen.
Auch der Mensch trägt in sich solch ein starkes Fundament, auf das nur ein Funken der Hoffnung treffen muss, um Großes entstehen zu lassen.



Sonntag, 19. Oktober 2014

Unfrisierte Erinnerungen Teil 1






Im April 1990, kurz nach dem Fall der Mauer sucht beinahe jeder sein Glück im anderen Teil der Republik.
In Ostdeutschland ist man auf der Suche nach Jobs und westdeutsche Firmen erhoffen sich einen riesigen Markt im Osten.
So auch eine große Kosmetikfirma, die dort ihren Bekanntheitsgrad ausdehnen will. Zur Vermarktung ihrer Haarpflege-Produkte engagiert sie den süddeutschen Friseurverband.
Mein Friseur Ralf ist natürlich auch mit von der Partie, da er sich durch diverse Preise einen Namen erworben hat. Ich habe mich für ihn schon des öfteren als Frisuren-Model zur Verfügung gestellt, deshalb werde ich gleich mit engagiert.

Frühmorgens erwartet uns ein super moderner Luxusbus, bereits besetzt mit wichtigen Leuten aus dem Management der Innung und der Kosmetikfirma, ein paar Jungfriseuren und noch mehr Models.
Etwas schläfrig, und von der Bus-Disco berieselt fahren wir gen Osten.
Erst als sich die Landschaft in ein sattes Grau verwandelt, bemerke ich, dass wir den Westen verlassen haben. Bald ragen aus dieser Ödnis überraschend weiße Flaggen mit roter Aufschrift - „Toyota“ war schon vor uns da und je näher wir Leipzig kommen, desto mehr Autofirmen begegnen uns. Bei der bislang chronischen Unterversorgung, erhoffen sie sich einen riesigen Boom.
Unser Bus scheint ungewöhnliche Aufmerksamkeit zu erregen. Als wären wir Pop-Stars, stehen Menschen am Straßenrand und winken uns zu. Das Gefühl, so freundlich empfangen zu werden, ist einerseits überwältigend, andererseits einigermaßen irritierend. Womit haben wir uns das verdient? Heißt man uns als Gäste willkommen, oder als Botschafter der lang ersehnten Konsumgüter?
Auf dem Weg zu unserem Auftrittsort fahren wir durch die Innenstadt von Leipzig. Mit ihren alten Gebäuden wirkt sie sehr beeindruckend. Wenn nur nicht alles von diesem Grau überzogen wäre, hervorgerufen durch den Ausstoß der Braunkohle-Heizungen.
Noch ist auf den Gehwegen vor einigen Kellerfenstern Braunkohle aufgehäuft und wartet darauf, in die Keller befördert zu werden.

Bevor wir der Stadt etwas bieten, werden wir zum Essen eingeladen. In ein großes Speiselokal in dem zu seiner Zeit Staatssekretär Honecker bei seinen Besuchen zu dinieren pflegte. Das Lokal besitzt die nüchterne Atmosphäre einer Bahnhofshalle, ist aber durch unzählige kleine Lampen an der Decke hell erleuchtet. Die Kellner, an den Umgang mit prominenten Gästen gewöhnt, sind flink, devot und zu keinem Lächeln bereit.
So verwöhnt, brechen wir auf, um in einem Rundbau in der Innenstadt das Abendprogramm zu gestalten. Bei unserem Eintreffen sind alle noch mit den Vorbereitungen beschäftigt.
Bevor sich der Saal füllt, wird noch eifrig geputzt.
Das Interesse ist überwältigend. Der Saal ist bald bis zum letzten Platz besetzt.
Ralf beginnt die Schere zu schwingen. Haare fliegen während er erklärt und seine kleinen Anekdoten und Witze erzählt. Der Föhn summt, es wird toupiert und zuletzt verschwindet die ganze Pracht in einem Nebel von Haarspray. Ich präsentiere das Kunstwerk auf der Bühne von allen Seiten. Die anderen Models gesellen sich mit ihren Kreationen dazu und das Publikum applaudiert mit großer Begeisterung.
Der größte Teil des Abends wäre somit bestritten. Ganz zum Schluss ist noch ein „Lambada“, von uns getanzt vorgesehen, auf besonderen Wunsch von ein oder zwei reiferen Herren vom Management. Aber zuvor steht noch eine musikalische Einlage von Musikern des Gewandhaus-Orchesters auf dem Programm.
Man stelle sich vor, da kommen ein paar Friseure mit ihren Modellen aus der Provinz und treten zusammen mit dem weltberühmten Gewandhaus-Orchester auf!
Bei den Klängen einer Komposition von Bach herrscht andächtige Stille. Wir sind überwältigt. Erfüllt von diesem wunderbaren Konzert möchte man im Anschluss nur nach Hause gehen und den Nachhall genießen.

LAMBADAAAA !!!
In unseren pinkfarbenen Röckchen und den knappen Oberteilen sind wir an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Jeder von uns spürt dies, aber da die Organisatoren es sich so wünschen, muss die Show weitergehen.
Vielleicht hält man uns nun im Osten für Banausen ohne Kunstverstand.


Teil 2 und 3 im Anschluß!


Sonntag, 12. Oktober 2014

Unfrisierte Erinnerungen Teil 2





Nach unserem unrühmlichen Abgang in Leipzig wird alles schnell zusammengepackt und im Bus verstaut, da wir noch am selben Abend weiterfahren. Nach Karl-Marx-Stadt oder Chemnitz, so genau weiß man das noch nicht. Die Entscheidung über den neuen, endgültigen Städtenamen steht noch aus.
Gegen Mitternacht kommen wir dort an, um im besten Hotel der Stadt zu übernachten. Auf dem Platz davor prangt ein monumentaler Kopf von Karl Marx, der mit versteinerter Miene geradeaus blickt, was höchstwahrscheinlich am Material liegt, aus dem er geschaffen ist.
Wie Johannes der Täufer nach der Enthauptung thront dieser Kopf auf einem Sockel. War nur sein Kopf von Bedeutung? Das Herz und was sonst noch eine Menschen ausmacht, ist zu vernachlässigen? Ich bin zu müde, um mir weitere Gedanken darüber zu machen.

Das Zimmer, welches ich mir mit einem anderen Model teile, erinnert mich an ein Kinder- oder Jugendzimmer. Die zwei Betten aus Pressspan stehen hintereinander und haben einen Umbau mit verschiedenen Fächern.
So schnell wie möglich ins Bett! Nur noch Waschen und Zähneputzen.
Das Bad! - In einem 1. Klasse Hotel hätte ich niemals erwartet, solch ein Bad vorzufinden.
Eine schwarz gekachelte Höhle, unterbrochen von komplett anders gestalteten Fliesen. Es wurde wohl eingebaut, was gerade aufzutreiben war.
Am Wasserhahn über dem Waschbecken hängt ein kleiner orangefarbener Gummischlauch. Zuletzt sah ich das bei meiner Großmutter auf dem Bauernhof über dem Spülstein.
Beim Blick in die Dusche, eröffnet sich mir eine fremde Welt. Die Mulde will man nicht unbedingt mit bloßen Füßen betreten und beim Blick nach oben, in Richtung des Duschkopfes, ragen von der Decke lange, schwarze Schlieren wie die Stalagmiten einer Tropfsteinhöhle.
Da stellt sich nun die Frage: Was ist hygienischer, sich in diese Tropfsteinhöhle zu stellen, oder ausnahmsweise nicht zu duschen. Ich entscheide mich für Letzteres.

Nach der morgendlichen Katzenwäsche und dem Frühstück soll es zu unserem nächsten Auftrittsort, einem sogenannten „Volkseigenen Betrieb“ gehen. Das „Management“ ist mit dem Bus bereits vorausgefahren. Wir Modelle werden von Ralf in einem nahegelegenen Friseursalon für den Auftritt vorbereitet. Zurück im Hotel bittet er die Dame an der Rezeption, uns ein Taxi zu rufen.
Mehrmals, und mittlerweile ziemlich nervös, weil ohne Erfolg, dreht sie an der Wählscheibe ihres roten Telefons.
„Mit einem roten Telefon kommt man bei uns direkt zu Gorbatschow und hier reicht die Verbindung nicht mal bis zum nächsten Taxistand!“ meint Ralf nun doch etwas ungeduldig.
Der jungen Frau steht die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben: “Es ist Sonntag und bei uns ist heute Jugendweihe, da sind alle Taxis ausgebucht.“
Irgendwann steht dann doch ein „Wartburg“ vor dem Eingang. Für vier Fahrgäste wird es ziemlich eng, aber sowohl für den Fahrer, als auch für uns wird die Fahrt ein heiteres Erlebnis.
Im „VEB“ bekommen wir in der Kantine ein Mittagessen serviert, bei dessen Anblick das Wort Sättigungsbeilage eine eigene Bedeutung erhält.

Vielleicht liegt es an der Tageszeit, oder an der Lokalität, oder auch an der Jugendweihe, dass die Zuschauer an diesem Nachmittag nicht so zahlreich erscheinen, wie am Abend zuvor.
Zwischen dieser Stadt und uns will ein Sympathiefluss noch nicht ungehindert strömen.


Dritter und letzter Teil im Anschluß!


Sonntag, 5. Oktober 2014

Unfrisierte Erinnerungen Teil 3





In Karl-Marx-Stadt (oder Chemnitz) halten wir uns nicht mehr lange auf. Das nächste Ziel unseres Werbefeldzuges in den Osten ist Dresden. Die Perle Sachsens, die durch den Krieg ein schweres Erbe angetreten hat. Ich bin wirklich neugierig, was man uns vierzig Jahre vorenthalten hat.
Am späten Sonntag-Nachmittag erreichen wir Dresden.
Entlang der Elbe fahrend, eröffnet sich uns auf der gegenüberliegenden Seite der Blick auf die wunderbare barocke Silhouette der Stadt mit ihren alten Gaslaternen und den restaurierten Gebäuden.

In der Prager Straße sollen wir in einem Friseursalon für unseren nächsten Auftritt vorbereitet werden.
Was ist nur aus dieser einst prachtvollen Flaniermeile geworden? - Eine kahle Betonwüste!
Der Salon ist für diese exponierte Lage viel zu groß. Im Westen wäre die Miete unbezahlbar.
Wir nehmen Platz auf den Sesseln, einem Standartmodell, dem man hier überall begegnet. In der Luft liegt der leicht ätzende Duft von Dauerwell-Tinktur und auf den Frisiertischen stehen unbeschriftete Fläschchen mit toxisch anmutenden Flüssigkeiten in rot, gelb und blau. Haarfärbemittel. Glücklicherweise müssen wir nicht darauf zurückgreifen.
Der Besitzer ist äußerst stolz, uns bei sich empfangen zu dürfen. Er hofft auf einen Vertrag mit der Kosmetikfirma, die ihm den Salon modernisieren soll. (Nicht nur er wartet auf die versprochenen blühenden Landschaften.)

Dem Dresdener Publikum stellen wir uns am Abend im Hygiene-Museum vor.
Im weitesten Sinne bieten wir zwar auch Körperpflege an, aber im Museum...? Vom gläsernen Menschen, der dort stehen soll habe ich gehört. Auf Knopfdruck kann man die einzelnen Organe zum Leuchten bringen, aber wie will man uns dort in Szene setzen?
Tatsächlich gibt es auch noch einen großen Saal, in dem für uns ein langer Laufsteg aufgebaut wurde.
Vor ausverkauftem Haus, präsentieren wir nochmals internationales Friseur-Handwerk.
Voller Schwung, im Takt der Musik betrete ich solo den Laufsteg.
… zack – das Licht ist weg. Mich umgibt rabenschwarze Nacht. Wir haben es wohl geschafft, das Stromnetz zum Erliegen zu bringen. Hilflos und regungslos stehe ich da.
Doch man hat dort alles im Griff. Die Scheinwerfer sind wieder auf mich gerichtet und ich kann meinen Lauf beenden. Sogar ein extra Applaus wird mir zuteil, oder soll er den patenten Handwerkern gelten, die im Hintergrund das Malheur so schnell behoben haben?

Kein 'Lambada' zum Abschluss, dafür werden Geschenk-Sets, die einen Fön und Haarpflegemittel enthalten an einige Zuschauer in den vorderen Reihen verteilt.
Der Gedanke an eine Raubtierfütterung drängt sich auf, wie die Hände sich gierig nach den Plastik-Beuteln ausstrecken.
Auf diese Weise wird mit Sicherheit der falsche Eindruck vermittelt, im Westen sei alles im Überfluss vorhanden und große Geschenke werden einfach unters Volk geworfen. Dabei ist doch die einzige Bestrebung, in den Menschen, die noch nicht durch eine Werbe-Flut abgestumpft sind die Sehsucht nach dieser Marke zu wecken, der sie von nun an ein Leben lang die Treue halten sollen.
„Sitzt im Publikum eine Frau, die in nächster Zeit heiraten möchte?“
Sofort wird eine Hand nach oben gestreckt.
„Haben sie schon ein Brautkleid? Noch nicht? - Dann bekommen sie von uns eines geschenkt!“
Weinend vor Glück und unter tosendem Applaus nimmt die junge Frau den Traum in Weiß entgegen.

Zwei erfolgreiche, aber anstrengende Tage liegen hinter uns. Müde, aber immer noch angespannt fahren wir zu unserem Nachtquartier.
„Nach Bautzen!? - Das ist doch ein berüchtigtes Gefängnis!“
Was erwartet uns wohl heute?
Im Gefängnis landen wir nicht, dafür in einer von einem freundlichen Ehepaar privat geführten Pension mit beinahe westlichem Standard. Die absolute Krönung ist das kalte Buffet, das für uns aufgebaut wurde. Nach dem Entzug von kulinarischen Highlights stürzen wir uns auf belegte Wurst- und Käsebrote, Spreewälder Gurken, Eiern und, und, und...
Dazu Radeberger Pils, was auch die allgemeine Stimmung merklich steigen lässt. Das Wirts-Ehepaar bedient uns zuvorkommend, reserviert und etwas unsicher, ob man diesen verrückten Wessies wirklich trauen kann.
„Gibt's auch Rotkäppchen-Sekt hier?“ erkundigt sich Ralf und erzählt einen Witz nach dem anderen. Natürlich bekommen wir auch den gewünschten Sekt und Ralf lädt die Wirtsleute ein, sich zu uns an den Tisch zu setzen. Der Alkohol zeigt seine Wirkung und bald dürfen wir auch über Sachsen-Witze lachen.
Bis zur wirklichen Einheit ist es noch ein langer Weg, aber ein winziger Anfang ist gemacht.





Freitag, 12. September 2014

Begegnungen am Montag






Mir gegenüber sitzt ein betagter Herr mit einer Tasche. Montags um halb zehn fahren nicht sehr viele Personen mit der S-Bahn, dafür sind sie unterschiedlicher in ihrer Art, als zu einem früheren Zeitpunkt.
Auf dem Platz schräg gegenüber, sehe ich einen älteren Mann mit struppigen, weißen Haaren und einem üppigen Leo-Tolstoi-Gedächtnisbart.
Nach wenigen Haltestellen steht der Herr, mir gegenüber auf und nimmt das Kissen, das er im Rücken hatte unter den Arm. "Wie daheim auf dem Sofa," schmunzle ich innerlich. "Es geht doch nichts über ein bequemes Reisen!"
Tolstoi verlässt ebenfalls die Bahn, dafür steigen zwei Inderinnen mit prachtvollen Saris ein. Der eine in Rot und der andere in Grün, jeweils reich mit schwarzen Pailletten bestickt. Da sich die Temperaturen in unserem Breitengrad nicht zum Tragen eines leichten Saris eignen, haben sich die beiden Damen schwere Wildleder-Jacken über die nackten Schultern gelegt, was der Eleganz einigermaßen abträglich ist.
Eine Station, bevor ich mein Ziel erreicht habe, nimmt links von mir, nach Alter und Optik zu urteilen ein Student Platz und breitet sein Frühstück aus. Den zwei Pappbechern, die er auf die Ablage stellt, entweicht ein eigenartiges Aroma. Einer der Becher beinhaltet zweifelsfrei Kaffee und aus dem Größeren fängt er nach dem Öffnen an zu löffeln - Linsensuppe!
Der Geruch von Linsensuppe kann sehr appetittanregend wirken, aber nicht um diese Tageszeit und nicht in Verbindung mit Kaffee!
Ich bin froh, dieser exotischen Duftorgie an der nächsten Station entfliehen zu können.

Nach einem anstrengenden Arbeitstag mit noch mehr Begegnungen, mache ich mich wieder auf, um von der S-Bahnstation aus meine Heimreise anzutreten.
Noch drei Minuten, steht auf der Anzeigentafel. Meine Füße tun weh. Vielleicht finde ich noch einen Platz auf der Bank - aber was ist da passiert?
Oh Gott, ich bin dermaßen schockiert, dass ich nicht hinsehen kann und sofort ein paar Schritte weitergehe.
Da sitzt ein junger Mann im Rollstuhl. Bis auf Bade-Shorts völlig nackt. Soviel ich in dem kurzen Moment registriere, macht er einen gepflegten Eindruck, aber sein ganzer Oberkörper samt den Armen hängt schlaff vorne über. Er scheint zu schlafen. Seine Beinstümpfe wirken irgendwie verdreht. Ein unerträglicher Anblick.

Hilft denn niemand? Kommt denn da keiner?
Die Personen in der Nähe vermitteln den Eindruck, als ob sie das nichts anginge. Meine Bahn fährt ein. Kann ich denn einfach gehen, ohne etwas getan zu haben?
Es ist schon so spät, außerdem sind da so viele Menschen, sicherlich ist schon Hilfe unterwegs. Ich steige ein und fahre weg, aber mein Gewissen lässt mir keine Ruhe. Ich hätte nicht einfach weggehen dürfen, quält es mich fast während der ganzen Fahrt.
Die ganze Situation schien so unwirklich, außerdem hatte ich kaum hingesehen. Saß da wirklich ein Mensch im Rollstuhl? Rückblickend betrachtet, kann es auch eine Puppe gewesen sein. Die Haut oder Oberfläche war viel zu glatt und makellos für einen Menschen.
Aber was war dies für eine Aktion? War es ein Test, wie viele einfach vorüber gehen? Ich hätte einen schlechten Eindruck hinterlassen.

Ich werde es wohl nie erfahren.


Sonntag, 7. September 2014

Alles nur Fassade



Wo immer man sich auf das Leben einlässt wird man enttäuscht. Alles dauert entweder zu lange, oder nicht lange genug.
Oscar Wilde





Warmherzigkeit und soziales Engagement sind Charaktereigenschaften, die einen Menschen wertvoll machen. Aber nur dann,wenn diese wirklich verinnerlicht in seinem wahren Wesen liegen.
Niemand kann auf Dauer eine glanzvolle Fassade aufbauen. Beim ersten Sturm zeigt sie Risse,bevor sie endgültig fällt.
Sobald aber Kälte und Herzlosigkeit hinter der Maske hervortreten, muss man fassungslos erkennen, wie sehr man sich hat täuschen lassen und spürt den Wunsch aufkeimen, diesem Menschen nie begegnet zu sein.



Mittwoch, 3. September 2014

Der kleine Herr Wu





Arbeit, Arbeit, rennen, laufen...
Tag für Tag geht er seiner Arbeit nach, der kleine Herr Wu. Fleißig, gewissenhaft und davon überzeugt, seine ihm gestellten Aufgaben sorgfältig zu erledigen.
Mit Elan baut er sein Projekt auf und sieht begeistert zu wie es gedeiht, doch bevor er die Früchte seiner Arbeit ernten kann, wird ihm ein anderes Projekt zugeteilt. Als gewissenhafter Mensch geht er von Neuem an sein Werk.
Alle um ihn herum haben immer nur ein und dieselbe Aufgabe. Sie identifizieren sich mit ihr. Es gibt ihnen Ruhe und Struktur in ihrem Alltag, wogegen Herr Wu täglich neuen Anlauf nimmt.
Arbeit, Arbeit, rennen,laufen...
Neuer Tag, neues Projekt. Rennen, rennen...
Er kann doch so viel mehr. Sieht das denn keiner?
Hat er denn keinen Wert? Immer nur das zu erledigen, was sonst keiner will?
..und wieder geht ein Tag zu Ende voller Mühe und Enttäuschung.
Gesenkten Blickes geht er seinen Weg.
Da liegt etwas vor seinen Füßen auf der Erde. Ein Glückskeks mit einer Botschaft in seinem Inneren. Er bricht ihn auf, entnimmt den kleinen Zettel und liest:
„Kompetenz, wie Deine ist unterbewertet.“

Ein Zeichen des Himmels!
Du kannst mehr als die Anderen! Nur Du hast die Kompetenz !
Das Schicksal hat dem kleinen Herrn Wu einen Weg gewiesen, um sich selbst mit anderen Augen zu sehen:
„Ich habe die Kompetenz! Mir traut man zu, dass ich jede Aufgabe erfülle!
Morgen, ja gleich morgen werde ich wieder die Position ausfüllen, die man mir zuteilt!“

Glücklich und zufrieden zieht er weiter, der kleine Herr Wu und fühlt sich ganz groß.


Freitag, 29. August 2014

Carpe diem !





„Guten Morgen, Signora! Einen Cappuccino?“
„Ja, bitte. Ich setze mich heute nach draußen.“
„Subito!“

Am Eingang steht ein Tisch mit aktuellen Tageszeitungen. Ich nehme mir davon die „Stuttgarter Nachrichten“ und setze mich an einen der Tische vor der Bar. Alles wirkt hell und frisch. Die weißen Schirme und die ebenfalls weißen Decken auf den Sesseln, sind mit dem Emblem einer Zigarettenmarke bedruckt.
Morgens, kurz nach neun Uhr sind nur sehr wenige Plätze besetzt. Traditionsgemäß nimmt man in einer italienischen Bar den morgendlichen Espresso auch nur kurz im Stehen ein.
Zu den wenigen Stammgästen um diese Zeit, gehören außer mir noch ein älteres Ehepaar und ein Zigarillo rauchender, grauhaariger Herr mit hellblauen Mokassins an den Füßen.

Man sitzt hier etwas abseits der stark frequentierten Einkaufsmeile und trifft dort weder die 'Beautiful People', denen es vor allem darum geht gesehen zu werden, noch ein Personal, das morgens schon müde und gestresst wirkt und mich womöglich übersieht.
Statt dessen werde ich mit der Anrede 'Signora' empfangen, was mich eine gewisse Wertschätzung erkennen lässt und mir das Gefühl verleiht, ein besonderer Gast zu sein. Hier bin ich willkommen und genieße die italienische Atmosphäre mitten in der deutschen Großstadt.
Der Cappuccino, der mir gleich serviert wird, hat eine Haube aus dickem, festen Milchschaum unter dem sich ein Kaffee verbirgt, der tatsächlich die Lebensgeister weckt.

Durch den Halb-Stundentakt der S-Bahn bin ich etwas zu früh, zum Beginn meines Arbeitstages. Fünfzehn Minuten gönne ich mir deshalb für ein wenig Urlaubsgefühl.
Es reicht gerade, um einen Cappuccino zu trinken und in meiner Zeitung das Feuilleton oder einen kurzen Kommentar zu überfliegen, bevor ich mich erholt und motiviert aufmache, um den Menschen , die mir an diesem Tag begegnen die gleiche Wertschätzung entgegenzubringen, wie das freundliche Personal in meiner italienischen Cafe´-Bar.



Montag, 25. August 2014

Gute Freunde


Ehe man anfängt seine Feinde zu lieben, sollte man seine Freunde besser behandeln.
Mark Twain




Still ist es geworden.
Wo sind sie, die guten Freunde?
Viele Wochen schon, hast du dich in dein Schneckenhaus zurückgezogen und wartest, dass jemand anklopft.
Wärst dankbar für ein kurzes 'Hallo', nicht mehr. Nur das Gefühl, dass da jemand ist, der an dich denkt.
Viele Jahre hat man zusammen gegessen, getrunken und gelacht. Jetzt, wo du verstummt bist, scheint sich niemand mehr an dich zu erinnern.
Wer sich nicht rührt, wird einsam.
Es liegt an dir, den ersten Schritt zu tun! Die ersehnte Aufmerksamkeit zu erlangen, ist wirklich leicht.
Alle sind begeistert von der Idee, sich wieder gemeinsam an einen Tisch zu setzen.
Nur Maike schränkt ein: "Ich würde gerne kommen,aber ich weiß nicht,ob ich die Kraft dafür aufbringe."
Ausgerechnet Maike mit ihrem trockenen Humor und dem herzhaften Lachen,das so ansteckend wirkt.Von ihr nichts zu hören, war die größte Enttäuschung,dabei hat sie vielleicht die ganze Zeit auch nur auf ein Zeichen gewartet.

Deshalb, urteile nie über jemanden, dessen Geschichte du nicht kennst.



Freitag, 22. August 2014

Geier




LEBEN
Arbeit,Arbeit, schuften, ackern,
Besitz anhäufen, mehr und mehr.
Keine Zeit, nur noch Druck
und das Leben zieht vorbei.

LEBEN LASSEN
Auf den Bäumen warten sie,
die Geier.
Geduldig beobachtend,
wie du ziehst an deiner Last.
Schritt für Schritt, Tag für Tag
und das Leben zieht vorbei

DAS LEBEN LASSEN
Gebeugt und krumm
Schleppst du dich alleine
mit deinem Besitz hinfort
auf deinem Weg,
bis zum Ende
und die Geier werden satt.

Sonntag, 17. August 2014

Wildkatzen









"Gute Leoparden kommen in den Himmel, böse auf die Leggins!"


Gibt es überhaupt einen Leoparden-Himmel? - Ich fürchte, nein.
In keiner Saison sind sie aufzuhalten und räkeln sich auf jedem Untergrund. Ob es nun Leggins, Möbel, Gürtel, Taschen oder Schuhe sind, alles wird erobert.
Kein Designer war bisher in der Lage, sie in ihr Reservat zu verbannen, weil sie heißgeliebt werden, vorzugsweise und 'All Over' von Frauen im vorgerückten Alter etwa zwischen sechzig und siebzig. Wild und gefährlich will man sich nochmals fühlen, bevor man zum Einheits - Beige verdammt wird.
Junge Frauen bevorzugen weniger auffällige Accessoires im Leo-Design, wie Taschen oder Schuhe. Wo es früher noch süße Ballerinas waren, die an Katzenpfötchen erinnerten, dürfen heutzutage nur High-Heels mit 10 cm Plateau und 20 cm Absatz an die Füße , was jeder Trägerin einen Gang verleiht, als trage sie eine beidseitige Hüftprothese.
(Man erinnere sich an den lasziven Hüftschwung einer Sophia Loren in klassischen Pumps).
Das ganze Erscheinungsbild lässt sich noch komplettieren, mit raubtierähnlichen Krallen im dazu passendem Muster, oder zumindest mit Strass besetzt.
Auch sollte man nie die Wirkung einer gepflegten Frisur unterschätzen. Das teuerste Kleidungsstück kommt nicht zur Geltung, wenn die blondierten Haare lieblos nach oben gezwirbelt und mit dem Stick der letzten Curry-Wurst festgesteckt werden. Wie bei einem explodierten Pudel stehen dabei die Haare in allen Richtungen weg.
Bei Kurzhaarfrisuren wird gern ein dunkler Rotton gewählt, der allerdings eher ungewollt einer Palisander-Schrankwand aus den Sechzigern ähnelt, als dass er der Dame eine rassige Attitude verleiht.

Zum Abschluss des kleinen Stil-Exkurses vielleicht ein Wort des großen Meisters Giorgio Armani:
„Eleganz heißt nicht ins Auge zu fallen, sondern im Gedächtnis zu bleiben.“







Sonntag, 3. August 2014

Evolution - Revolution






Evolution - Entwicklung. Wohin hat sie uns gebracht?
Atombombe, Depressionen, Die Bachelorette ...

Wären wir zufriedener mit dem Gehirn eines Neanderthalers?

Revolution - Rückwälzung, heißt nicht, Rückkehr zu den Primaten,
sondern Besinnung auf unsere Werte und Grundbedürfnisse.

Wir benötigen ein MEHR an Intelligenz.




Dienstag, 29. Juli 2014

An Dich



Du schreibst das Buch Deines Lebens.
Füllst es mit Stunden voll Glück und Leid,
Liebe und Enttäuschung,
Zuversicht und Angst,
Erholung und Arbeit.

Eines Tages stellst Du fest,
Du bist auf der letzten Seite angelangt,
aber Dein Leben ist noch nicht zu Ende.
Schließe Dein Buch und lege es zur Seite!
Bewahre es sorgsam auf!

Nimm ein weißes Blatt
und beginne ein neues Kapitel!
Leer liegt dieses Blatt vor Dir
und bietet unendlichen Raum, es zu füllen.





Du mußt erst ein paar Mal sterben, bevor Du wirklich leben kannst.
- Charles Bukowski -

Mittwoch, 16. Juli 2014

Gipfelstürmer






Ein Kind wird geboren. Alle sind im Glück.
Eine Zukunft mit ihren ungezählten Möglichkeiten liegt vor ihm, es braucht nur zuzugreifen. Je nach Geschlecht hat es die Chance Fußballstar, Primaballerina, Politiker oder Anwältin zu werden.
Die ganze Welt steht diesem Geschöpf offen.
Mit der Zuwendung und ganzen Liebe der Eltern wächst es auf. Genau wird beobachtet, wo die Neigungen und Talente liegen, die sofort gefördert werden. Es soll ihm eines Tages besser gehen, was auch immer man sich darunter vorstellen mag.
Schon früh gewohnt, dass Leistung immer belohnt wird, sei es materiell, durch noch mehr Liebe, oder einfach durch das euphorische Gefühl, sich als Sieger auf der Überholspur zu befinden, steckt es seine ganze Kraft in die Schule, Sport und später in ein Studium. Von oben herab, auf dem Weg zum Gipfel werden diejenigen betrachtet, die zurückbleiben.
Beziehungen bleiben auf der Strecke, wenn der Partner nicht gewillt ist mitzuziehen.
Irgendwann ist der Hoffnungsträger ganz oben am Ziel seiner Bestrebungen angelangt und hat alles erreicht, doch plötzlich...
Sinnkrise, Burnout – Absturz.
Die Eltern stehen ratlos daneben. Ist dies der Preis für all die Zuwendung und Zeit, die man ihm geschenkt hat? Man hat doch alles gegeben! So viele Fragen,die unbeantwortet bleiben.

Ein Abschnitt ist zu Ende, einer neuer beginnt.
Ihr Kind wird neu geboren. Es ist jetzt reif für ein Leben, das es sich selbst wählt.


Dienstag, 8. Juli 2014

Unerklärliche Phänomene







Die Wissenschaft beschäftigt sich laufend mit den unterschiedlichsten Untersuchungen – wichtigen, oder eher unwichtigen. Dabei kam sie bisher immer wieder zu überraschenden Ergebnissen.
Nur ein für mich unerklärliches Phänomen wurde bisher nicht untersucht: Warum es immer regnet, wenn mein Mann und ich einen Kurzurlaub gebucht haben.
In letzter Zeit frage ich sogar den Hundertjährigen Kalender, um die Trefferquote für Sonnenschein zu erhöhen, aber dieser Kalender scheint für einen anderen Kontinent ausgelegt zu sein. Vielleicht sollten wir auch für ein oder zwei Tage dorthin verreisen, wo wegen anhaltender Dürre dringend Regen gebraucht wird. Auch wäre über ein neues Geschäftsmodell zur Wasserbeschaffung oder eine karitativ tätige Einrichtung nachzudenken, die versucht, das ökologische Gleichgewicht herzustellen
Ein besonderes Ärgernis über die Unberechenbarkeit des Klimas ergibt sich bei Freiluftveranstaltungen.
In Erwartung einer grandiosen Aufführung der Oper 'Aida' in der Arena von Verona, haben wir unsere Plätze auf einem der Ränge in halber Höhe eingenommen. Den Blick immer wieder beschwörend gen Himmel gerichtet, in der Hoffnung, die Wolken mögen vorüberziehen, ohne sich über uns zu entladen.
Das Orchester stimmt die Overtüre an. Alle Zuschauer entzünden ihre mitgebrachten Kerzen. Es ist ein beeindruckendes Spektakel, doch – oh nein! Die ersten Tropfen fallen. Sofort packen die Musiker ihre wertvollen Instrumente ein und verschwinden unter der Bühne.
Mir entfährt aus lauter Verzweiflung die Bemerkung: „Ist doch logisch, egal wo wir sind, es regnet grundsätzlich!“
Sofort dreht sich die Zuschauerin auf dem Rang unter mir um und schleudert mir lächelnd, aber doch mit einem ganz leicht verärgerten Unterton entgegen:
„Ach, SIE waren das !!“


Freitag, 13. Juni 2014

Mystik








Freitag, der 13. Juni, eine Vollmondnacht.

Über dem See steigt, gleich einem Schleier, weißer Nebel auf.
Fledermäuse huschen durch das fahle Licht des Mondes.
Die smaragdgrünen Augen einer schwarzen Katze leuchten magisch im Gebüsch.
Ein leichter Luftzug weht durch die Kronen der Birken.
Es war der Flügelschlag eines Engels, der sie bewegte.


Donnerstag, 22. Mai 2014

"Herr Doktor darf ich heiraten?"





Bücher haben etwas spirituelles. Sie besitzen eine Seele und sind gleichzeitig Zeugnis einer Epoche. Deshalb wird man sie auch nicht verkaufen oder etwa wegwerfen, falls man sie als Nachlass übertragen bekommt. Respektvoll bewahrt man diesen über Jahre und Jahrzehnte auf, sofern man über ausreichenden Platz verfügt.
So lasse ich neulich meinen Blick über vergessene Buchrücken schweifen und entdecke, eingeklemmt zwischen unterschiedlichster Literatur ein kleines Bändchen, das schon vollkommen mit Stockflecken übersät ist. Es trägt den Titel:

Herr Doktor darf ich heiraten?

Als Erscheinungsdatum wird das Jahr 1922 angegeben. Die Seiten sind ausgefranst und mussten sicherlich, wie früher oft üblich, paarweise vor dem Lesen aufgeschnitten werden.Vielleicht sollte der Inhalt nur für Erwachsene zugänglich sein.
Er handelt von Gesundheit und Moral in der Ehe, verbunden mit der Reinhaltung der Rasse, damit jeder sein persönliches Lebensglück finden kann. Ein paar Jahre später jedoch, hatte ein neues Regime die wahnhafte Vorstellung, darüber entscheiden zu müssen.

Mögen die Darlegungen bei allen, die es angeht, Beachtung und Befolgung finden. Sie sollen in wohlmeinender Absicht nur verhüten, dass Heiraten stattfinden, die allermeistens nur unglückliche Ehepaare und Kinder schaffen und dem Staate einen minderwertigen, unbrauchbaren Nachwuchs bringen würde.

Als einzig mögliche Lebensform wurde daher die Ehe angesehen, zum Zwecke der Fortpflanzung. Es gab viele Aspekte die vor einer Verbindung zu beachten waren. Vieles klingt heute befremdlich und man fühlt sich belustigt z.B. über die Unsicherheit, ob sexuelle Enthaltsamkeit vor und auch während der Ehe zu psychischen Schäden führen könne.
Mittlerweile war der Stand der Wissenschaft aber so weit, dass man davon ausging, Selbstbefriedigung beim Mann rufe keine Geistesgestörtheit hervor und sei absoluter Enthaltsamkeit vorzuziehen. Wogegen allzu häufige Selbstbefriedigung bei der Frau dazu führen könne, dass sie zu großen Gefallen daran findet und keinen Mann zum Akt mehr wünscht, der doch in erster Linie zur Fortpflanzung dienen soll.
Es folgen viele Erklärungen des „Vertrauensarztes“ , über das richtige Heiratsalter, Krankheiten, Laster und Perversion.
Unter Perversion wird auch „die sexuelle Neigung zu unreifen Kindern“ verstanden.
Dazu wäre bloß zu sagen, dass sie – obschon sicher zuweilen von bloßen verbrecherischen Wüstlingen ausgeübt- doch teils im Zusammenhang mit Altersblödsinn, progressiver Paralyse, Epilepsie und Schwachsinn vorkommt.

Männer wiederum werden vor eheuntauglichen Frauen gewarnt:
Zu den größten Krebsschäden am Marke unseres Volkes gehören die Unlust oder Unfähigkeit der Mütter zu stillen. Liegt dergleichen vor oder ist anzunehmen, dass Eitelkeit, Bequemlichkeit, Lebensgenusssucht von vornherein stärkere Triebkräfte in ihr, als Mutterpflichtgefühl sind, dann sollte sich der Mann ja überlegen, ein derartiges Geschöpf zu seiner Frau zu machen.

Als völlig überholt, obwohl einige sehr konservative Köpfe noch daran festhalten, ist die Erkenntnis anzusehen:
Vermischungen mit Angehörigen fremder Rassen kommen für die deutschen Leser so gut wie gar nicht in Betracht. Auch das Wagnis, Ehen mit Angehörigen anderer Konfessionen zu schließen, ist ganz vom Einzelfalle aus zu beurteilen.

Ein ziemlich großes Kapitel behandelt das Thema Homosexualität und es ist überraschend, wie weit man damals eigentlich der Zeit voraus war:
Über die Homosexualität, die angeborene Triebrichtung zum gleichen Geschlecht sind in der breiten Öffentlichkeit die törichsten Anschauungen im Schwange. Sie gründen sich auf den Irrtum der Wissenschaft vergangener Zeiten. Die Wissenschaft der Neuzeit hat unwiderleglich festgestellt, dass es sich dabei um eine angeborene Triebrichtung handelt. Im klassischen Altertum war sie förmlich ein maßgeblicher Bestandteil der Kultur. Man war sich der in ihr steckenden seelischen Werte wohl bewusst.
Das mittelalterliche Recht hat sich bis in die Gegenwart fortgeschleppt. Eine unzweckmäßige, weit über ein vernünftiges Ziel hinausschießende Propaganda, hat nicht günstig auf den Kampf um den berüchtigten Paragraph 175 des Reichsstrafgesetzbuches eingewirkt, der aber, analog einer vernünftigeren Auffassung in anderen Ländern, früher oder später fallen dürfte.

Der Paragraph 175 sollte noch weitere fünfzig Jahre gelten und wurde während des NS-Regimes noch verschärft.
Ledige Männer waren deshalb verdächtig und in dem Büchlein wird ihnen geraten, doch eine Ehe mit einer frigiden Frau einzugehen, damit wäre beiden geholfen. Tatsächlich wurden über viele Jahre solche „Scheinehen“ geschlossen.

Schon auf den ersten Seiten widerspricht sich der Autor und der ganze Inhalt wird quasi ad absurdum geführt, in dem Gebot der Zukunft:
Wenn die Hygiene nur das Ziel hätte, ein Volk zu den tüchtigsten im Sinne des Militarismus zu machen, wenn starke und gesunde Menschen nur hochgezüchtet werden sollen, um nicht etwa im friedlichen Wettbewerbe sondern vor allem im massenmörderischen Kriege das im Abschlachten tüchtigste zu sein, dann sieht hinter aller Hygiene das Mephistengesicht hervor, wie es in der Zeit bis 1914 geschah: Auslese für den Moloch Militarismus. Dann stehen dieselben Ärzte, im Frieden besorgt, daß der tuberkulöse Nachbar nicht über seinen Gartenzaun spuckt, in Schlächterkitteln neben dem Herrn Aushebekommissar, willig bereit, die so fürsorglich gesundheitsmäßig erzogenen Männerscharen den Schrapnells, den Gasgranaten, den Schlachtmessern, den Giftdämpfen und leiberzerwalzenden Tanks zu überantworten. Rassenhygiene, Volkshygiene, Eheverbote unter Ausschluss aller militaristischen Gesichtspunkte und des kriegsgebärenden Nationalismus neben fortdauernder Pflege pazifistischer Weltanschauung, das ist das Gebot der Zukunft für die wahren Freunde des deutschen republikanischen Volkes!

Ein Gebot, das kein Gehör fand. Wieder wurde gesundes, kräftiges Erbgut herangezogen um im nächsten Krieg abgeschlachtet zu werden.





Samstag, 3. Mai 2014

Detlef und sein Schwiegervater





„Über meen Schwiejervater da könnt ick dir Jeschichten erzähln, det gloobste nich“, berlinert Detlef. "Wat der immer für ne Scheiße baut, det is eenfach unfassbar und geizig isser noch dazu. Ick weeß jarnich, wat der mit dem janzen Jeld macht."

Tatsächlich gibt es unendlich viele Geschichten vom Schwiegervater, die er auch immer und überall preisgibt. Sei es in geselliger Runde oder während eines Vortrages über Stress, weil er der Meinung ist, er leiste damit einen wertvollen Beitrag zu diesem Thema.
Überhaupt stecken in seinem Kopf lauter vorgefertigte Ansichten, und was er nicht kennt, hat für ihn keinen Platz in seinem engen Weltbild.
„Wenn icke Bundeskanzler wär, ick würde se alle rausschmeißen, det arbeitsscheue Pack und diese Schwuchteln, die haben doch inner Politik ooch nix verloren.“

Detlef ist krank. Mit Anfang fünfzig steht er eigentlich noch mitten im Leben, aber seine Gelenke sind durch rheumatische Entzündungen stark angegriffen. Die Haut ist ebenfalls befallen und mit roten Flecken übersät. Sein Allgemeinzustand ist ziemlich schlecht, deshalb bekommt er jedes zweite Jahr eine Kur zur Rehabilitation verordnet.
Mit seiner Berliner 'Kodderschnauze' findet er schnell Kontakt, wenn er auch durch den Stress, in den er sich selbst versetzt, anfangs jedem auf die Nerven fällt. Aber sobald man die Komik, die hinter dieser Situation steckt erkannt hat, erhält das Ganze einen besonderen Unterhaltungswert.

Nach der vierwöchigen Kur hat sich sein Zustand wesentlich verbessert. Ein nicht unerheblicher Beitrag haben wohl die Menschen in seiner Umgebung geleistet, die es geschafft haben, dass er sich selbst nicht mehr allzu verkrampft sieht und ein paar seiner Sorgen nach Hause seiner Familie schicken kann. Die geht vielleicht entspannter damit um.

In zwei Jahren wir er wohl wieder eine Kur antreten und wird wieder seinen Schwiegervater im Rucksack mittragen, falls der so hochbetagt wie er ist, noch lebt. Möglicherweise wird es dann eine andere Last sein, die er mit sich schleppt.
Manchmal sind es erdrückende Gedanken, die krank machen und ein neues soziales Umfeld kann, neben der medizinischen Versorgung wesentlich zur Genesung beitragen.


Samstag, 26. April 2014

Materialermüdung





Samstag und Arbeitstag. Jetzt regnet es auch noch. Wo nehme ich da nur die nötige Motivation her. Schließlich wird man auch nicht jünger.
Deprimierende Gedanken liegen schwer auf mir, über die Sinnlosigkeit des Seins.- Wenn jetzt nur der Scheibenwischer am Rückfenster meines Autos funktionieren würde, damit ich was sehen kann.
Alles altersschwach. Mann !!
Wie jetzt! Plötzlich geht er! Das gibt’s doch nicht, ich drück auf die Taste, und er wischt hin und her … hin und her. Seit Jahren ging er nicht mehr!
Hey! Das wird doch noch ein guter Tag, so lange man sich an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen kann.
Sollen die Leute denken,was sie wollen, wenn sie sehen, wie ich vor Begeisterung mit den Armen rumfuchtele.
Wir zwei alten Fregatten halten zusammen! Wir sind doch ein gutes Team!
Mein Auto und ich.

Sonntag, 20. April 2014

Teenagerträume











Ba Ba Ba Barbara Ann …
Zum dritten Mal legt Jana den Arm ihres Plattenspielers auf die Single, ihre einzige, aber vom knapp bemessenen Taschengeld einer Vierzehnjährigen lassen sich nicht viele Wünsche erfüllen. Der Hit des Jahres 1965 von den Beach Boys klingt nach Freiheit, Sonne, Strand und schönen Menschen.
Schon wieder ist Sonntagabend und für Jana beginnt von neuem eine qualvolle Woche. Physik, Latein, Geschichte, in jeder Schulstunde macht sie sich klein auf ihrem Stuhl, als wäre sie nicht vorhanden. Nachmittags Sport, die absolut größte Blamage für jemanden, der die Anmut eines Mehlsackes hat.
Für die Versetzung wird es dieses Jahr nicht reichen, dann blamiert sie sich auch noch bei ihren Eltern.
„Ich bin nur die doofe Dicke, die nie den Mund aufkriegt und unsichtbar für die Anderen ist. Wenn es mich nicht gäbe, würde das doch keinem auffallen!“
Ihre Eltern bemerken nicht, was ihre Tochter quält, wenn sie am Tisch sitzt und immer brav ihren Teller leert. Essen vertreibt bekanntlich Kummer, allerdings ist der Kummer jedes Mal noch viel größer, wenn sie die weiblichen Stars in der 'Bravo' in ihren schicken Minikleidern sieht, in die sie nicht passt.
So wie Twiggy auszusehen, davon träumt sie. Nicht mehr schüchtern zu sein und immer etwas Schlaues von sich geben zu können, dann würde man sie zu jeder Party einladen und sie wäre dort der Mittelpunkt.
„Ich muss selbst etwas ändern!“ Sie beschließt, sich ab sofort dem Füttertrieb der Eltern zu widersetzen.
Ihr Durchhaltevermögen zeigt schon nach kurzer Zeit Erfolg. Ohne so dünn wie Twiggy auszusehen, schafft sie es dennoch schlank zu werden.
Mit einem Gespür für modische Trends und handwerklicher Begabung, kopiert sie diese Designer-Kleidchen und wird von ihren Freundinnen beneidet. Von Tag zu Tag wächst ihr Selbstbewusstsein und eine körperliche Ausstrahlung gewinnt sie durch Tanzunterricht.
Das Wiederholen der neunten Klasse ist nicht mehr abzuwenden und die Eltern machen ihr Vorhaltungen, sie habe zu viele andere Dinge im Kopf, womit sie ja nicht Unrecht haben. Als anderer Mensch kommt sie in eine neue Klasse und wird sofort in die Gemeinschaft aufgenommen.
Mit 17 beschließt sie trotzdem, der Quälerei ein Ende zu setzen und nach der zehnten Klasse von der Schule abzugehen.
Gedanken darüber, wie ihr beruflicher Werdegang aussehen könnte und wo eventuell ihre Neigungen liegen macht sie sich nicht. Papa kümmert sich wie immer darum:“Am sinnvollsten ist, du machst eine Lehre in meinem Büro.“ Der Meinung schließt sich Jana an, denn es ist für sie bequem und einen Plan hat sie ohnehin nicht.
Mit einer Gartenparty verabschiedet sie sich von ihren Schulfreunden. Super sieht sie aus in ihrem gelben Kleid mit dem goldenen Kettengürtel. Das findet auch Roland, der mit seinem Freund Michael unangemeldet erscheint. Roland ist 23 und Student und vor allem: Er hat ein Auto!
Jana platzt beinahe vor Stolz dass er sich nur für sie interessiert. “Keine meiner Freundinnen hat so einen tollen Freund und endlich kann ich sie alle beeindrucken!“ denkt sie sich.
Zu jeder Verabredung holt er sie mit dem Auto ab, er lädt sie zum Eis oder Kaffee ein, doch so stolz sie auch ist, in seiner Gegenwart fühlt sie sich wie ein kleines Dummchen.
„Kommst du kurz mit hoch, ich muss noch was aus meiner Bude holen?“ Natürlich ist sie gespannt, wie er wohnt und betritt eine karg möblierte Studentenbude. Kaum hat Jana Zeit, sich in dem Zimmer umzusehen, da beginnt Roland ihr unter den Rock zu fassen. „Bitte nicht!“ wehrt sie sich, aber davon unbeeindruckt drängt er sie auf das Bett. „Nein, bitte lass das!“ versucht sie es nochmals. „Glaubst du etwa, ich nehm' dich bloß zum Knutschen mit auf's Zimmer? Stell' dich nicht so an!“ Jana traut sich nicht Widerstand zu leisten, aus lauter Angst ihn zu verlieren.
Auf der Heimfahrt kämpft sie mit widerstrebenden Gefühlen. Einerseits fühlt sie sich missbraucht, andererseits ist sie froh, das 'erste Mal' hinter sich zu haben.
Bei der nächsten Verabredung eröffnet er ihr, an einem Modepüppchen kein Interesse zu haben. Diese knappe Mitteilung trifft sie äußerst hart, aber andererseits muss sie sich eingestehen, dass sie eigentlich nicht in ihn verliebt war und sie ihn auch nur als Prestigeobjekt missbraucht hat.
Sie fühlt sich jetzt stark und das Leben kann beginnen.


Freitag, 18. April 2014

I'm just talkin' 'bout my g-g-generation





Neuerdings trifft man sich im Club 99 einer kleinen Disco für ein junges Publikum, ohne große Ansprüche.
„Willst du tanzen?“. Jana ist hingerissen. Der Typ sieht umwerfend aus: Dunkelhaarig und riesig groß, bestimmt fast zwei Meter. Bei A Whiter Shade Of Pale von Procol Harum erzählt er ihr, er heiße Thommy und mache im Moment noch eine Lehre.
So muss es sich anfühlen, wenn man verliebt ist ! Wenn man um sich herum nichts mehr wahrnimmt und das Herz vor Aufregung klopft.
Von nun an treffen sie sich täglich und erleben eine aufregende Zeit miteinander. Alle bestätigen ihnen, sie würden das perfekte Paar darstellen.
1969 ist die Zeit der Studentenrevolten und auf einem Gelände bei Woodstock treffen sich hunderttausende von Jugendlichen zu einem gigantischen Rockkonzert. Die Jugend befreit sich von den konservativen Vorstellungen der Elterngeneration, mit anderen politischen Ansichten, ihrer eigenen Musik und Drogen, die ihnen ein neues, freieres Lebensgefühl vermitteln sollen.
Auch die Freunde um Jana und Thommy werden teilweise von diesem Zeitgeist erfasst.
„Werd' bloß nicht so eine kiffende, vergammelte Schlampe wie Nora, die ständig mit einem anderen Typen rumzieht!“ warnt Thommy, aber Jana ist viel zu sehr darauf bedacht, immer hübsch auszusehen, dass sie darin keine Gefahr sieht, diesem Einfluss zu unterliegen.

Mittlerweile dauert ihre Beziehung schon fast zwei Jahre und es hat den Anschein, als könne sie nichts mehr trennen. Sie treffen sich immer noch im Club 99, der ein wenig zum Szenelokal verkommen ist. „Komm mal mit raus!“ bittet Thommy an einem schönen Sommerabend Jana knapp. „Ich bin jetzt mit Nora zusammen. Sie ist so anders, so locker drauf und sie hat eine eigene Bude. Das ist besser, als Sex im Käfer.“
Jana fühlt sich wie vom Blitz getroffen und die Welt scheint um sie zu versinken. Verlassen steht sie da, nach Hause möchte sie nicht, um sich den Fragen der Eltern auszusetzen, also setzt sie sich an die Bar und versenkt den Blick in ihr Weizenbierglas.
„Dir geht’s ziemlich beschissen. Willst du mit uns raus, wir gehen in den Rohbau zum Rauchen, das wird dich ablenken.“ Schön, dass sich jemand um sie kümmert, aber anscheinend weiß der dicke Franz schon Bescheid, nur sie war bisher ahnungslos.
Hinterm Club 99 wird gebaut, dorthin verziehen sie sich mit zwei weiteren Kumpels. Franz stopft eine Pfeife mit Tabak und schwarzen Krümeln, die in silbernes Stanniolpapier gewickelt sind. „Du musst nicht mitrauchen, wenn du nicht willst, aber verraten darfst du uns nicht, versprochen?“
„Wenn Thommys Schlampe kifft, muss ich das jetzt auch ausprobieren!“ denkt sich Jana, nimmt einen Zug aus der Pfeife und inhaliert ganz tief, so wie Franz es ihr gezeigt hat. Nachdem die Pfeife ihre Runde gemacht hat, gehen sie zusammen zurück zur Disco und in Janas Kopf kreisen immer noch schwere Gedanken.
Drinnen schlägt ihr der hämmernde Sound von Led Zeppelin mit Whole lotta Love entgegen. Die Musik erfasst sofort ihren ganzen Körper und dringt in jede Zelle. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl ergreift Besitz von ihr und schüttelt sie im Takt der stampfenden Musik.

Dieses Erlebnis lässt sie nicht mehr los, sie ist regelrecht infiziert. Indische Hippie-Klamotten trägt sie jetzt, liest Hesse und Sartre und besucht mit ihren neuen Freunden Rockkonzerte von Pink Floyd und Uriah Heep. In düsteren Szene-Clubs trifft sie sich mit Leuten, die sich progressiv geben und denken, durch Reden die Welt verbessern zu können. Jana langweilt sich oft bei diesen orientierungslosen Gesprächen, doch sobald ein Joint herumgereicht wird, ist ihr die Umgebung gleichgültig. Dieses freie Leben ohne Konventionen ist unglaublich faszinierend. Allerdings sind die Tage immer öfter nur mit einem frei verkäuflichen Aufputschmittel zu ertragen. Wie ein Gefängnis erscheint ihr das kleine Büro in dem man den ganzen Tag nur gegen die Wand starrt.
Von Selbstzweifeln geplagt, fragt sie sich an ihrem 21. Geburtstag: „Ist es das, was ich vom Leben erwartet habe? Habe ich davon geträumt, abgewetzte Hippie-Klamotten zu tragen? Schön und gepflegt wollte ich doch aussehen!“
Angeregt durch diese Gedanken, beschließt sie, endlich ihrem Traum zu folgen und Modedesign zu studieren, wo sie ihre Begeisterung für Mode ausleben kann.

In einer angesagten Disco, setzt sie sich eines abends an die Bar. Neben ihr sitzt ein junger Mann und sagt: „Hallo, ich hab' dich hier noch nie gesehen!“
Es soll eine schicksalhafte Begegnung werden, welche die zwei Menschen zusammenführt, die füreinander bestimmt sind und ihr Leben miteinander teilen wollen.

Mit einem Ziel vor Augen, kann man alles erreichen!



Samstag, 5. April 2014

Erleuchtung



Wenn du das Gefühl hast, dass du erleuchtet bist,
dann besuch doch am Wochenende einmal deine Eltern - das erdet.



Dienstag, 1. April 2014

Sonntag, 23. März 2014

Gedanken




Gedanken bewegen.

Gedanken formen Worte.

Gedanken verändern die Welt.

Gedanken schenken uns Glücksgefühle.

Gedanken auf Papier verwehen, verbrennen oder überdauern Jahrhunderte.

Gedanken kreisen unauslöschbar in der Atmosphäre und warten darauf abgeholt zu werden.

Gedanken schleichen sich heimlich ein und rauben uns die Kraft.

Gedanken legen sich wie eine Spinne auf die Seele und saugen sie aus.

Ich nehme Deine Gedanken und schenke Dir dafür meine.




Donnerstag, 20. März 2014

Kurschatten



Weiber, Weiber … jede Menge gibt es hier!
Da, an der Ecke vor der Einfahrt müssen alle vorbeikommen, die nach dem Abendessen ausgehen wollen. Wir haben heute eine laue Spätsommernacht, ich denke, die Chancen stehen gut, hier einige von ihnen zu sehen. Zudem ist es außerhalb der Klinik erlaubt, mir eine Pfeife anzuzünden.
Einmal noch ein Abenteuer erleben! Möglicherweise ist es die letzte Gelegenheit so kurz vor der Rente , weg von Heim und Herd.
Nur alte Schachteln, dick und hässlich kommen immer gleich in schnatternden Gruppen daher. Soll heute wohl nichts werden...
Da kommt noch eine. Alleine. Die gefällt mir.


„Guten Abend, Entschuldigung, können sie mir sagen, was man hier abends unternehmen kann? Ich bin ganz neu hier. Wo gehen sie jetzt hin?“
„Ich mache nur einen kurzen Spaziergang. Hier gibt es nicht viel. Gegenüber ist eine urige Kneipe, aber die hat heute Ruhetag.“
„Darf ich sie bei ihrem Spaziergang begleiten?“

Er sieht ja ganz gut aus. Schlank, braungebrannt, die dunklen Haare mit grauen Strähnen durchzogen. In der lässigen Jeans-Jacke und der Pfeife im Mundwinkel hat er was von französischer Bohème.
Der einsame Abendspaziergang ist für mich zum Ritual geworden. Eigentlich möchte ich keine Begleitung.
Naja, schau mer mal, wie man hier in Bayern sagt.
Ein Jugo also, daher dieser Akzent und Arzt sei er in einer Klinik. So einen Halbgott in Weiß habe ich mir immer etwas beeindruckender vorgestellt und nicht als jemanden, der hinter Büschen lauert.

In einer Woche reist sie schon ab. Da bleibt wenig Zeit, ich muss also zügig vorgehen.

So, so, verheiratet ist er, hat eine Tochter und zwei Enkel, die er abgöttisch liebt, weshalb er Kindergedichte schreibt.
Na klar, seine Frau versteht ihn nicht! Ist mir doch egal. Muss er vor mir gleich sein ganzes Privatleben ausbreiten?
Nimm bloß die Pfoten weg! Das hat mir noch gefehlt!


In einer Kurklinik sind die Tage angefüllt mit Therapien und Anwendungen. Dabei trifft man immer wieder auf dieselben Leute, trotz der großen Anzahl an Patienten.
Der späte Nachmittag, der Abend und das Wochenende stehen zur freien Verfügung bis zum „Zapfenstreich“ um elf Uhr.

Egal, ob ich ins Café gehe, oder mich mit Anderen in der Kneipe zum Bier treffe, er ist immer dabei und übernimmt für mich, wie ein Mann von Welt, großzügig die Rechnung.
Lass es doch! Ich will das nicht. Das verpflichtet nur.
...und eine Geschichte vom Puff in Bochum will ich auch nicht hören! Lieber Himmel!


„Meine Frau hat meine EC-Karte gesperrt, weil ich ihrer Meinung nach zu viel Geld ausgebe. Zwanzig Euro pro Woche müssten reichen.“

Wie erbärmlich! Soll ich jetzt etwa Mitleid haben? Jede Ausrede wäre besser gewesen.
Meine Achtung ist auf ein Minimum geschrumpft.


Bei jeder Kommunikation werden Signale ausgesandt. Erfolgreich kann nur sein, wer spürt, ob das Gegenüber auf „Empfang“ oder „Keine Verbindung“ schaltet. Aber jeder nimmt nur wahr, was er tatsächlich sehen möchte und interessiert sich nicht für den Anderen. Sonst gäbe es weniger Missverständnisse.



Sonntag, 26. Januar 2014

Leon und Luna




Heiraten?

Das heißt, Leben und Liebe eins sein lassen, dass die Liebe das Leben ist, und das Leben die Liebe.

„Leonce idealisiert hier die Liebe, wobei er früher eine Heirat als Pflichterfüllung ansah. Siehst du das nicht auch so Luna?“
„Ja, dabei würde Lena lieber sterben, als zu heiraten.“

Büchner ist beinahe jedes Jahr Stoff im Deutsch-Abitur. Leon und Luna bereiten sich während eines Spaziergangs am Ufer eines Baches darauf vor, da eine der Aufgaben sicher einen Aufsatz über das Lustspiel von Leonce und Lena verlangt. Da sie verschiedene Schulen in der selben Stadt besuchen, kennen sie sich noch nicht lange, doch beide verbindet das Interesse an der Literatur und aus diesem Grund haben sie sich für das Wahlfach Deutsch entschieden.

„Ciao, wir sehen uns heute Abend bei der Orchesterprobe!“
Im städtischen Orchester spielt Luna Klarinette und Leon bläst das Waldhorn. Zwei Instrumente, die viel Kraft erfordern.
Obwohl Luna sehr zierlich scheint, verfügt sie als Hobby-Tänzerin über eine ausgeprägte Muskulatur und eine Disziplin, die sie auch beim Spielen dieses Instruments unterstützen.
Leon ist eher der Schöngeist mit einer großen Portion Humor, als der durchtrainierte Sportler, aber voller Stolz und Begeisterung entlockt er dem Waldhorn diese vollen, tiefen Töne, die ein großes Luftvolumen erfordern.

„Besuchst du mich morgen zu Hause?“ fragt Leon in der Pause hoffnungsvoll seine neue Bekanntschaft. Luna nimmt seine Einladung an, macht sich aber gleichzeitig Gedanken darüber, was er wohl für sie empfindet. Luna mag seinen Humor, mit dem er jeden in seiner Umgebung zum Lachen bringt, aber reicht das für mehr? Nein, mehr als Sympathie kann sie nicht empfinden.
Diese Erkenntnis macht sie irgendwie traurig.
„Ich muss es ihm schonend beibringen und die Situation klären. Hoffentlich setze ich unsere Freundschaft nicht aufs Spiel!“
Unsicher, aber fest entschlossen, Klarheit zu schaffen, besucht sie Leon in seinem Elternhaus. Mit dem Gesicht zum Fenster gewandt steht er in seinem Zimmer und erklärt stockend: „Ich mag dich wirklich sehr, Luna, aber wenn ich in mich hineinhöre, spüre ich keine Verliebtheit.“
Luna fällt ein Stein vom Herzen. In ihrer Umarmung versprechen sie sich Freunde zu bleiben und die Atmosphäre zwischen ihnen entspannt sich merklich.

Nachdem beide das Abitur erfolgreich abschließen, trennen sich ihre Wege, da jeder einen anderen Studiengang an einem anderen Ort wählt. Doch durch die modernen Kommunikations-Möglichkeiten erhalten sie die Verbindung aufrecht, obwohl sich Luna kurz darauf in Timo verliebt und Leon bald darauf Anna kennenlernt, in die er ebenfalls unsterblich verliebt zu sein scheint.
Eine Hochschulausbildung verlangt heute Mobilität und Auslandserfahrung, deshalb wechselt Anna schon nach einem halben Jahr an eine renommierte Universität außerhalb Deutschlands. Die Gefühle Annas halten der räumlichen Trennung nicht stand und sie beendet die Beziehung.
Für Leon bricht eine Welt zusammen. Er will nicht wahr haben, dass dies das Ende seiner Liebe ist. Dabei hört er nicht auf zu hoffen, dass Anna wieder zu ihm zurückkommt.
In seinem Kummer, sucht er Rat und Trost bei Luna, die manchmal auch einen Freund braucht, der ihr zuhört, wenn sie mit Timo eine Krise durchlebt.
„Vergiss doch Anna endlich und such dir eine neue Freundin!“ rät Luna, nachdem sie dieses Gejammer nicht mehr ertragen kann.
„Deine guten Ratschläge kann ich wirklich nicht gebrauchen. Meine Eltern liegen mir schon dauernd in den Ohren, dass ich endlich mit meinem Studium fertig werden soll, damit ich eine Familie gründen kann, mit Frau und Kindern. Sie sind nicht mehr so jung und da setzt man seine ganzen Hoffnungen in den einzigen Sohn. Im Übrigen sehen sie es nicht gerne, dass ich immer noch diesen engen Kontakt zu dir pflege, weil der angeblich zu nichts führt.“

Gibt es tatsächlich Freundschaften zwischen Mann und Frau?
Harry und Sally haben in dem gleichnamigen Film auch daran geglaubt und sind am Ende eines besseren belehrt worden – nach zehn Jahren Freundschaft haben sie geheiratet.
Oder sollten sie wie Leonce und Lena doch noch zusammenfinden, die ihrem Schicksal auch nicht entrinnen konnten?

Sieben Jahre sind seit ihrem gemeinsamen Spaziergang vergangen. Wie in diesem Film haben sie sich in den Ferien und an Feiertagen an ihrem Heimatort getroffen.
Luna arbeitet nun in der selben Stadt wie Leon. Ihre Beziehung mit Timo ist nach dieser Zeit ebenfalls in die Brüche gegangen, aber im Gegensatz zu Leon, findet sie sofort eine neue Liebe. Sie lebt jetzt mit Harald zusammen.

„Am Sonntag komme ich zu euch zum Brunch. Ich bring auch etwas zu Essen mit.“ lädt sich Leon bei Luna und Harald selbst ein.
Leons Humor ist einfach unschlagbar und es wird ein äußerst lustiger Morgen. Der Beschluss, sich öfters zum Brunch zu treffen steht fest.

Am nächsten Tag erhält Luna von Leon eine kurze SMS: „Ich bin schwul, und weiß nicht, wie ich es meinen Eltern beibringen soll.“

Luna fällt aus allen Wolken. „Wir waren über eine so lange Zeit freundschaftlich eng verbunden, und ich habe nichts bemerkt!“
Diese Freundschaft ist ihr zu wichtig, um sie der Intoleranz zu opfern, deshalb will sie ihm auch zur Seite stehen und wenn nötig, sich auch für ihn bei seinen Eltern einsetzen.
Jeder Versuch, mit Leon Kontakt aufzunehmen scheitert. Er scheint wie vom Erdboden verschluckt. Auch zum gemeinsamen Freundeskreis bricht er jeglichen Kontakt ab.
Luna ist völlig verzweifelt. „Ist er verletzt, weil ich so blind war? Oder schämt er sich? Was ist hier schiefgelaufen?“
„An Weihnachten ist er sicherlich zu Hause.“ Seine Mutter empfängt Luna überaus herzlich. Dagegen verläuft die Begegnung mit Leon etwas kühl. Beim Abschied verspricht er, sich wieder zu melden, was aber nie geschieht.

Vielleicht hat er begonnen, ein völlig neues Leben zu leben, eines in dem er wirklich glücklich sein kann.
Alle Eltern haben eine Vorstellung davon - auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollen - wie sich das Lebensglück ihrer Kinder gestalten sollte. Doch aus den Kindern bilden sich Menschen mit einer eigenen Persönlichkeit, die man so annehmen muss und nicht verbiegen darf.