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Donnerstag, 21. April 2016

ICH BIN FREI !





Mein Handy signalisiert mir eine neue Freundschafts-Anfrage auf Facebook. Ich sehe mir solche Anfragen immer sehr genau an, bevor ich sie bestätige, deshalb bin ich auch etwas verunsichert, als ich beim Öffnen des Profils einen exotisch klingenden Namen und mir unbekannte Schriftzeichen entdecke.
Auf dem Foto ist eine glücklich strahlende junge Frau abgebildet und daneben der Text: „Waiting for true love.“
Nun, ich kann mich nicht für Integration stark machen und eine Anfrage, die eindeutig einer fremden Ethnie zuzuordnen ist verweigern.
Andererseits habe ich einen alten Freund, dessen Identität sich nicht eindeutig zuordnen ließ auch abgewiesen. Trotzdem überlege ich in diesem Fall: Ein Klick und der Kontakt ist wieder weggefegt.

Beim Öffnen der Seite offenbart sich mir nur unwesentlich mehr: Das Foto eines Jungen, der traurig seinen Kopf in die Hände stützt, Eheringe und wieder die Sehnsucht nach Liebe, dazu noch viel mehr unbekannte Schriftzeichen.
Möglicherweise ein Mädchen, das weltweit wahllos Kontakte sammelt. Tatsächlich tut sich weiterhin nichts …. bis mich eines Abends über dieses Profil eine Nachricht erreicht.
Hallo, guten Abend
Ich antworte mit Guten Abend, bist du Mann oder Frau?
Mann
Wir führen unsere Konversation auf Englisch fort und immer nur in ganz kurzen Sätzen. Ich erfahre bald, dass Hami aus Pakistan kommt und 22 Jahre alt ist. Er sei ein Flüchtling und von München zuerst nach Chemnitz, dann nach Dresden und zuletzt nach Meissen verlegt worden.
Sachsen sei sehr gefährlich meint er und ich solle mich mit ihm auf Deutsch unterhalten, weil er die Sprache lernen möchte. Mir kommt dieser Vorschlag sehr entgegen, da mein Handy sich mit Fremdsprachen anscheinend genau so schwer tut, wie ich.
Wo wohnen sie, werde ich gefragt, dabei wählt er immer das höfliche „Sie“. Meinen Wohnort gebe ich daraufhin mit Stuttgart an. Die kurzen Antworten dauern trotzdem sehr lange. Anscheinend stellt ihn nicht nur die Sprache, sondern auch die Schrift vor größere Probleme.
Was machst du?, frage ich weiter.
Nichts. Ich bin frei.
Ein Mensch, der nichts hat außer seiner Freiheit!
Ich muss kurz innehalten. Wissen wir eigentlich, wie reich wir sind?

Als nächstes meint er wieder auf Englisch, nicht alle Menschen seien schlecht, es gäbe auch gute darunter.
Und dann: Ich bin ihnen so dankbar.
Sie sind der erste Mensch, der sich freundlich mit mir unterhält.
Gute Nacht


Am nächsten Abend erfahre ich von Hami, dass er in einem Haus wohne, die Syrer aber in einem Camp.

Ein Rest von Misstrauen bleibt, schließlich kann sich jeder mit einer falschen Identität Vertrauen und Mitgefühl erschleichen, aber ich wünsche mir, dass ich einem jungen Menschen das Gefühl, angenommen zu sein vermitteln konnte.