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Sonntag, 22. Dezember 2013

Welt der Sagen




                                                     Elsa und ihr Gralsritter

                                                      Eine alte Sage, neu erzählt.



Was für ein Schicksal, mit dem Gott mich bestraft!
Viel zu früh hast du mich verlassen, und welche Verantwortung hast du auf meine jungen Schultern geladen! Die Schwere dieser Bürde droht mich zu erdrücken!

Kniend, am Totenbett ihres Vaters, des Königs von Brabant, hadert Elsa mit dem Erbe, das sie antreten soll. Es existiert kein männlicher Thronfolger und nach dem Gesetz darf nur ein König das Land regieren.
In Demut soll ich mich fügen und heiraten, verlangen mein Volk und meine Berater von mir, klagt sie weinend.

Kaum ist das königliche Begräbnis mit einer feierlichen Zeremonie begangen worden, wirbt der Ritter des Königs, Graf Friedrich von Telramund, ein tapferer Held, um Elsas Hand:
„Auf dem Totenbett musste ich deinem Vater versprechen, dir als dein Ehemann zur Seite zu stehen und als sein Nachfolger das Land zu regieren.“
Aber Elsa kann nicht glauben, dass dies der Wunsch ihres gütigen Vaters war, der sie so sehr liebte, und sie weigert sich, mit ihm die Ehe einzugehen.

In ihrer Not sucht sie Hilfe im Gebet: „Allmächtiger Gott, wenn ich einen Mann erwählen soll, dann nur den, der mir von Dir geschickt wird!“
Im selben Moment klingt weit weg von hier beim Gral eine Glocke. Ihr Läuten verkündet jedes Mal, irgendjemand bedarf dringend der Hilfe.

Elsa beruft alle Fürsten zu einer Versammlung am Fluss ein, um ihre Meinung zu hören, doch plötzlich sind alle Blicke auf das Wasser gerichtet: Ein Kahn, gezogen von einem weißen Schwan, kommt daher geschwommen. Ein Ritter steht darin, stolz und aufrecht, in einer silbern glänzenden Rüstung, umgeben von einer strahlenden Aura.

Am Ufer wird der Ritter, namens Lohengrin von der ganzen Versammlung staunend und voll Freude empfangen. Der Schwan kehrt mit seinem Kahn sofort wieder zurück.
An Elsa gewandt fragt er, was für ein Leid sie bedrücke, und sie erzählt ihm, unter welch falschem Vorwand Graf Friedrich sich den Thron erschleichen will.
Als ihr Ritter fordert Lohengrin den Graf zum Kampf, um Elsas Recht zu erstreiten. Alle Verwandten und Fürsten stellen sich ein, um diesem wichtigen Ereignis beizuwohnen.
Das Recht ist auf der Seite des Stärkeren. Friedrich unterliegt und gesteht, gelogen zu haben: Es habe nie ein Versprechen von Seiten des Königs gegeben. Damit hat er sein eigenes Todesurteil gesprochen und wird tags darauf durch das Beil gerichtet.

Elsa erkennt in Lohengrin den von Gott gesandten Ehemann und verfällt in großer Liebe zu ihm. Sofort wird mit den Vorbereitungen zu einer königlichen Hochzeit begonnen.
Bevor Lohengrin allerdings die Ehe mit Elsa eingehen kann, muss er ihr noch ein Versprechen abnehmen:

Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam' und Art !“

Er habe als Ritter ein Gelöbnis abgelegt, und sobald dieses gebrochen werde, müsse er sie auf immer verlassen. Elsas Glück jedoch ist vollkommen, deshalb kann sie die Bedingung eingehen, nie die Frage nach seiner Herkunft zu stellen.

Bald bekommen sie nacheinander zwei Söhne und sind beide sehr glücklich. Lohengrin regiert das Königreich Brabant mit Weisheit und ist beliebt bei seinen Untertanen.
Aber eines Tages spricht eine Herzogin voller Neid zu Elsa: „Er mag ja ein heldenhafter Ritter sein, aber da niemand seine Herkunft kennt, ist er sicherlich nicht von Adel und deshalb der Stellung eines Königs nicht würdig.“
Diese Worte beschämen Elsa und versetzen sie in große
Unruhe. Jede Nacht beginnt sie zu weinen und bedrängt ihren Gatten, er möge ihr doch sagen, woher er komme und ob er von adliger Geburt sei.
Ein paar Tage kann er sie beruhigen, aber da ihr Drängen immer heftiger wird, beschließt er, am vierten Morgen in aller Öffentlichkeit Auskunft über seine Abstammung zu geben.

„Mein Vater Parsifal, der Hüter des Grals hat mich gesandt. Als er den Klang der Glocke vernahm, wusste er, dass sich jemand in großer Not befindet und Hilfe braucht. Daraufhin hat mir Gott einen Schwan geschickt, der mich mit einem Kahn übers Meer zog, um Elsa beizustehen.“

Lohengrin verabschiedet sich von seinen beiden Söhnen mit einem Kuss und steigt in den Kahn, mit dem der Schwan wieder angeschwommen kam, und kehrt eilig zum Gral zurück.

In diesem Moment erst wird Elsa bewusst, dass sie ihr Versprechen gebrochen hat, das sie vor der Ehe ablegte, und fällt in eine tiefe Ohnmacht. Nach dem Erwachen ist ihre Seele für immer zerstört. Einsam und zurückgezogen siecht sie von nun an dahin.
Lohengrin kam nie wieder zurück. Ihre Söhne wurden zu Waisen, die in die Obhut des Kaisers fielen.

-Für Stefan -

Freitag, 13. Dezember 2013

13. 12. 13, 33jähriges Jubiläum im Perkins-Park, Stuttgart

Am 13. Dezember 1981 wird in der Discothek Perkins-Park in Stuttgart einjähriges Jubiläum gefeiert, ein Grund mehr, um einen Abend dort zu verbringen.
Ein befreundetes Ehepaar freut sich darauf, meinen Mann und mich dorthin zu begleiten. Selbstverständlich folgt man dem heimlichen Dress-Code und zieht an, was modisch angesagt ist. Das bietet mir die Möglichkeit, meinen neuen blauen Anzug mit goldenen Lurex-Streifen und einer Kniebundhose auszuführen.
So sehr ich mich darauf freue, wieder einmal richtig chic auszugehen, so schwer fällt es mir, mich aufzuraffen. Unglaublich müde und elend fühle ich mich an diesem Abend, aber wir sind schließlich verabredet, deshalb reiße ich mich zusammen, und mit dem Auto geht es dann nach Stuttgart.
Am Eingang hat sich bereits eine Schlange gebildet, und es dauert einige Zeit, bis wir eingelassen werden.
Drinnen ist es bereits sehr voll, trotzdem finden wir einen Platz an der Bar. Was soll ich bloß zu trinken bestellen? Nach Alkohol ist mir heute überhaupt nicht, aber in einer Bar gibt es fast nichts ohne. Dann nehme ich halt eine 'Bloody Mary', die besteht fast nur aus Tomatensaft.
Es wird dann doch noch ein amüsanter Abend, obwohl mir der 'Tomatensaft' auch nicht schmeckt.

Nach diesem Wochenende erfahre ich durch meinen Arzt, dass ich schwanger bin, und erhalte somit auch die Erklärung für meinen elenden Zustand.

In den nächsten Jahren mussten Prioritäten neu gesetzt werden, und Disco-Besuche traten weit in den Hintergrund.
Die Zeit vergeht, der Perkins-Park feiert noch mehr Jubiläen und zwanzig Jahre später trifft sich unsere Tochter mit ihren Freunden am selben Ort.

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Ruhe !

Als mir heute morgen mein ausgeschaltetes Smartphone hinters Bett gefallen ist, dachte ich im ersten Moment, man hätte mir einen Körperteil amputiert. Bis zum Abend muss ich warten, bis mir jemand hilft, das schwere Bett vorzuziehen.
Ich musste mich dem Schicksal fügen und genoss bald darauf die unfreiwillige Ruhe.
Fast niemand weiß, dass ich zu Hause einen grippalen Infekt auskuriere, also klingelt auch kein Telefon.
Plötzlich, gegen Abend wird die Stille jäh durch den elektronischen Ton unserer modernen Haustürschließanlage durchschnitten. Die Post kann es zu dieser Zeit nicht mehr sein, deshalb frage ich vorsichtshalber durch die Sprechanlage nach, wer stört.
Eine engelsgleich sanfte Frauenstimme möchte, dass ich mich mit der Frage befasse: "Was kommt nach dem Tod?"

ICH HABE DOCH NUR EINE ERKÄLTUNG !!

Samstag, 30. November 2013

Rückzug




„Ich habe meinen Termin bei Dr. Franz versäumt.“
„Was ist das für ein Arzt?“
„Für Gefäße.“
„...und warum sollst du dahin?“
„Ich saß in einem Zimmer im Ärztehaus, und wurde dorthin geschickt. Manchmal bin ich etwas vergesslich – immerhin bin ich schon 85!“

Aufgeregt blättert sie in ihrem Spiral-Kalender, der an allen Seiten mit Post-its beklebt ist, auf denen zusätzlichen Notizen vermerkt sind.

„Oder ist der Termin erst später? - Nein, da steht's doch, der Termin war schon vorgestern!“

Der halbe Tisch ist übersät mit Notizen, Zeitungsausschnitten, Glückwunschkarten, Todesanzeigen, alten und neuen Brillen. Wie soll man sich inmitten dieses Chaos zurechtfinden?

„Das kann schon mal passieren, ich vergesse auch manchmal etwas“ beruhige ich sie.
Mit einem neuen Thema versuche ich die Situation zu entspannen und erzähle, am Samstag hätte ich meine Tochter Ella besucht. Mit großem Interesse folgt sie meiner Erzählung, das aber schon nach ein paar Sätzen wieder erlischt. Dafür bekomme ich ausschweifend längst bekannte Geschichten zu hören, die negativ in ihrem Gedächtnis verankert sind. Übergangslos geht es weiter mit Stellungnahmen zur Globalisierung, oder wie schädlich sich das Internet auf die Menschheit auswirkt. - Das Fernsehen bringt ihr die Welt ins Wohnzimmer. - Anschließend werden Erlebnisse aus der Vergangenheit mit der heutigen Zeit verglichen.
Geduldig höre ich immer wieder von Neuem zu, denn wer, außer der eigenen Tochter hat Verständnis für Probleme, die in Wirklichkeit nicht existieren?

„Ach, und hast du mal wieder etwas von Ella gehört?“
„Ja, ich habe sie am Wochenende besucht.“
„Das ist aber schön!“

Andere könnten es für Gedankenlosigkeit oder Schusseligkeit halten, die Erfahrung sagt mir jedoch, es ist ein langsamer, aber unaufhaltsamer Rückzug in eine Welt, zu der am Ende niemand mehr Zugang haben wird.
Was bleibt ist Resignation und Hilflosigkeit.

Dienstag, 19. November 2013

Abteilung 17



Ein glücklicher Mensch – was ist daran interessant?
Jemand, der so vollkommen mit sich im Reinen und unauffällig ist, wird doch von niemandem beachtet.
Efrem singt und strahlt den ganzen Tag, ein wirklich fröhlicher, zufriedener Mensch.
Seine Hautfarbe ist schwarz und er trägt die feinen Gesichtszüge eines Ostafrikaners. Dabei ist er sehr schlank, und seine gestreifte Uniform-Weste hängt ziemlich traurig an ihm herunter. Ein wenig abgeschabt sieht sie aus, aber das stört ihn nicht. Täglich geht er singend und pfeifend, mit strahlendem Gesicht seiner Arbeit nach.
Seine Aufgabe ist es, in der Damen-Toilette für Firmen- Mitarbeiterinnen - intern Abteilung 17 genannt, Papierrollen und Handtücher nachzufüllen. Abfallkörbe zu leeren und die Waschbecken sauber zu halten. Kaum jemand, außer ihm, würde in dieser Arbeit seine Erfüllung finden.
Efrem ist aus seiner Heimat Eritrea geflohen. Dort drohten ihm lebenslanger Militärdienst und Zwangsarbeit. Der Sold, den er dort erhielt, reichte nicht zum Leben und unter der dort herrschenden Militärdiktatur liegt das ganze Land brach. Mit dem Geld, das er in Europa verdient, kann er seine ganze Familie zu Hause ernähren.

Wer nichts hat, kann in den kleinsten Dingen das allergrößte Glück finden.
 - Für Isi -






Dienstag, 12. November 2013

Zeitreise

Wo finde ich Zeitungsartikel für eine Recherche über ein bestimmtes Gasthaus anno 1914? Möglicherweise im Archiv meiner Heimatstadt.
Untergebracht ist es in einem unscheinbaren Gebäude zwischen historischen Bauwerken.
Nach dem Öffnen der Eingangstüre fühle ich mich augenblicklich in das Haus meiner Großmutter versetzt. Von einem düsteren Gang aus, kommt man in verschiedene Räume, die öffentlich genutzt werden.
Gleich links führt eine viertelgewendelte Holztreppe in das nächste Stockwerk zum Archiv. Beim Betreten der knarrenden, mit Linoleum belegten Stufen, und beim Berühren, des glatt polierten Holzhandlaufes, überkommt mich das Gefühl, eine Zeitreise in die Anfänge des letzten Jahrhunderts anzutreten.
Räume, die den Eindruck erwecken, einst als Wohnung gedient zu haben, in denen die Wände ringsum bis unter die Decke mit Büchern und Ordnern vollgestellt sind. In der Mitte des größeren Raumes sitzt ein alter Herr im schwarzen Anzug an einem Tisch und macht sich Notizen aus einem Buch.
Seitlich, fast zwischen den Büchern verborgen sucht ein älterer Mann Informationen an einem Bildschirm,- ein Mikrofilm-Betrachter wie es scheint. Wenigstens ein Gegenstand, der mich daran erinnert, dass ich mich in der Gegenwart befinde.
Eine Verwaltungs-Angestellte versorgt mich im Nebenraum mit dem gewünschten Informations-Material in einem Leitz-Ordner. Damit setze ich mich neben den alten Herrn an den Tisch.
"Meinen Schülern in der Oberstufe habe ich immer gesagt, es ist wichtig zu wissen, wo man nachschlagen kann." erklärt er dem Mann am Betrachter.
Für einen Moment werde ich ganz hellhörig und vergesse, in meinem Zeitungsartikel weiterzulesen. Ich frage ihn nach seinem Namen und ob er an der hiesigen Schule Lehrer gewesen sei. Bei der Nennung seines Namens fühle ich mich sofort wieder in die Vergangenheit versetzt.

Dreizehnjährig sitze ich im Klassenzimmer. Vor mir ein Lehrer, den ich altersmäßig nicht richtig einschätzen kann. Selbstgerecht und humorlos versucht er Wissen zu vermitteln und mit geringem Interesse wird es kurzfristig gespeichert, da von der korrekten Wiedergabe immerhin die eigene Zukunft abhängt.

Überrascht erkläre ich ihm, dass ich vor über vierzig Jahren seine Schülerin war. - Nur ein flüchtiger, abschätzender Blick, der für einen kurzen Moment Ratlosigkeit erkennen lässt, und kommentarlos fährt er fort sich ausschweifend über die Bausünden der letzten Jahrzehnte auszulassen. 81 sei er inzwischen und durch einen Schlaganfall linksseitig gelähmt, bemerkt er noch im Hinausgehen.

Seltsam, meine Zukunft konnte er in keiner Weise beeinflussen, und von dem ganzen übertragenen Wissen ist vielleicht nur geblieben, dass ich heute hier sitze und weiß, wo ich etwas nachschlagen kann.

Sonntag, 3. November 2013

Der Kreislauf des Geldes

Wie Hunde vor einem Metzger-Laden, werden die Männer auf der Sitzgruppe abgelegt, wenn sie samstags mit mehr oder weniger Begeisterung auf Shopping-Tour dürfen.
Geduldig warten sie, bis die Begleiterin ein Modell vorführt und sie um ihr Urteil gefragt werden. Um die Prozedur abzukürzen, fällt es dann auch meistens positiv aus.
Dauert es doch länger, dösen sie vor sich hin, oder schlafen ein, mit zurückgelegtem Kopf und offenem Mund.

Gutsituierte, ältere Herren in Begleitung junger, attraktiver Damen sind dagegen sehr bemüht, diese mit den exklusivsten Teilen auszustatten. Zuweilen kommt diese Dame am nächsten Tag mit der Ware wieder und tauscht sie gegen Bares um. - Auch eine Möglichkeit, um ein Geldgeschenk stilvoll zu verpacken.

Jedem wird mit Diskretion begegnet, und selbst unzufriedene Kunden werden mit ausgesuchter Höflichkeit bedient.
Eine hysterische Mittfünfzigerin möchte reklamieren. Ein Faden hat sich an ihrer Armani-Jacke gelöst. Sie weiß nicht genau wo, und wozu er benötigt wurde, aber sie hatte ihn plötzlich in der Hand.
Die Dame hat keine Zeit und wünscht auch keine Diskussion, deshalb verlangt sie,wenigstens den Abteilungsleiter, oder besser noch den Geschäftsführer zu sprechen. Es stellt sich heraus, es war eine Fixierung der Falten für den Transport, die versehentlich nicht entfernt wurde.
Natürlich wird, um sie zu beruhigen, der Heftfaden wieder eingenäht. - Es bleibt abzuwarten, ob sie das teure Stück mit diesem Accessoire tragen möchte.

Unkompliziert ist die Kundin, die sich aus geschäftlichen Gründen gut kleiden muss. Sie weiß, was sie möchte, und was zu ihr passt. Sie tritt dem Personal respektvoll, und auf gleicher Augenhöhe gegenüber.
Es sind Frauen, die gewohnt sind Menschen zu führen.

Ausgesprochen hochnäsig dagegen gebärden sich verwöhnte Töchter, die mit Mutti und Hundchen im Gucci-Täschchen auftauchen und sich so ausgestattet schon als It-Girl fühlen. Bei der Daunenjacke im vierstelligen Bereich ist sich die junge Dame dann auch nicht sicher, ob bei den Mitschülerinnen der Verdacht aufkommen könnte, sie trage diese Ski-Jacke nur, weil sie sonst nichts anzuziehen habe.

Die allermeisten Mädchen können nur träumen, von der schillernden Welt der großen Mode. Da stehen sie dann auch mit ihren nachgemachten Handtaschen in einer nicht enden wollenden Schlange, um sich ein Buch eines noch wenig bekannten Designers signieren zu lassen. Vielleicht sind sie an dessen Inhalt nicht interessiert, aber sie träumen davon, kurzzeitig in eine glamouröse Aura dieser Persönlichkeit einzutreten.
Oder die Eltern, die mit ihrer Prinzessin über tausende von Kilometern angereist kommen, ersehnen sich diesen Glanz. Damit ihr Marktwert steigt, wird ihr ein neues Näschen verpasst, und zur Belohnung für die Strapaze, erhält sie ein ausgefallenes Designer-Stück.
Überhaupt treffen Kunden aus dem fernen Ausland ihre Wahl sehr zielgerichtet, sobald es sich um ein bekanntes Label handelt. Aber kaum jemand verfügt über alle Sprachkenntnisse, die der Markt heute verlangt, Gebärden jedoch, werden international verstanden.

Leider wissen oft diejenigen, die über die entsprechenden Mittel verfügen, trotz entsprechender Beratung, nicht sich stilvoll zu kleiden und die Tüten fristen ihr Dasein unausgepackt im Schrank. Dagegen bleibt es für diejenigen oft unbezahlbar und unerreichbar, welche die Kostbarkeiten zu schätzen wissen.


Bis ins hohe Alter besteht der Wunsch in Schönheit zu baden, da bilden auch Gehhilfe, Beatmungsgerät oder beginnende Demenz keinen Hinderungsgrund.
Die Schränke quellen über für den Moment des Glücks, in dem die Karte durch den Schlitz des Scanners gezogen wird.
Die Unsichtbaren, die hinter den Kulissen, immer bemüht sind, alles ganz selbstverständlich und edel aussehen zu lassen, leben von diesem Glücksgefühl. Der Kreislauf des Geldes verhilft ihnen zu einem Auskommen.

Freitag, 25. Oktober 2013

Scheinwelt









In den Tempeln des Luxus und der Schönheit trifft man oft einsame Seelen, die ihrer inneren Leere entfliehen. Für ein paar Stunden finden sie eine Heimat, wo ihnen eine Aufmerksamkeit zuteil wird, die sie sonst vielleicht nirgendwo empfangen. Dort erzählen sie ihre Geschichten von Kindern, Krankheit und Tod.
Diesen Damen wird individuell, mit Ausdauer und Höflichkeit die schönsten Dinge ausgesucht. Zeit spielt keine Rolle.
Bei Espresso und Prosecco vergehen die Stunden in einer exklusiven Atmosphäre, in der das Gefühl vermittelt wird, etwas Besonderes zu sein und sich abzuheben von der schnöden Welt draußen.
Vielleicht wird irgendwann eine Entscheidung getroffen, um ein Teil reservieren zu lassen, das dann doch nicht abgeholt wird, einfach weil man nur die Ablenkung genossen hat. Genutzt wird auch die Möglichkeit, etwas zu kaufen, um es am selben Abend wieder umzutauschen, sobald man feststellt, dass es den Kleiderschrank oder den finanziellen Rahmen sprengt.
So entflieht man für einen Tag der Einsamkeit.
Dieses Ritual birgt eine gewisse Gefahr der Sucht und sollte es durch unvorhersehbare Umstände einmal durchbrochen werden, kann es im schlimmsten Fall zu einem Nervenzusammenbruch führen.





Dienstag, 15. Oktober 2013

Zwei Welten




Haltestelle. Die Türen der S-Bahn öffnen sich, Menschen steigen ein. Sie sind auf dem Weg zur Arbeit, zur Uni, oder wollen einfach nur verreisen.
Kurz bevor sich die Türen wieder schließen, schlüpft ein gutaussehender junger Mann gerade noch durch. Mit seinen schwarzen Haaren, und dem etwas dunkleren Teint, denkt man an einen Südländer. Kaum setzt sich die Bahn in Bewegung, zieht er aus dem Stoffbeutel, den er über der Schulter trägt, eine Geige und setzt sie an sein Kinn.
Melancholisch, dann wieder schwungvoll oder traurig klingen die Töne, die er aus diesem Instrument lockt, fast zum Weinen schön. Im Gegensatz zu dem Geplärre, das sich von allen Seiten aus den Ohrstöpseln der Mitfahrer aufdrängt.
Kurz vor der nächsten Haltestelle kommt die Geige wieder in den Beutel und der Musiker geht mit einem Plastikbecher durch das Abteil. Nur sehr wenige werfen Geld  hinein. Eine Organisation soll dahinter stehen, die diesen bedauernswerten Menschen alles wieder abnimmt.
Kaum geht die Türe auf, verschwindet er auch schon wieder nach draußen.

Im Tiefbahnhof, kurz bevor es mit der Rolltreppe nach oben geht, ist ein Mann an den Recycling-Containern auf der Suche nach Pfandflaschen. Er trägt einen etwas schäbigen Anzug und eine Aktentasche. In der Hoffnung seine Würde zu bewahren, schielt er verstohlen in die Öffnungen für Glas- und Plastikabfall.
Oben, in der Passage angekommen, empfängt mich der Zeitungsverkäufer mit seiner raumfüllenden Stimme "Trottwar, die Straßenzeitung!" Zuerst in einer höheren Tonlage beginnend, verfällt er in der zweiten Satzhälfte in einen tiefen Bass. Als sichtbare Legitimation seiner Tätigkeit, trägt er eine rote Weste, vorne und hinten mit der Aufschrift "Trottwar!". Durch den Verkauf dieser Zeitschriften, wird ihm ein menschenwürdiges Leben, weg von der Straße und dem Alkohol ermöglicht. Die Einzelschicksale, über die in diesem Blatt berichtet werden, machen betroffen.
Die Passage bietet das übliche Angebot: Kaffee, Gebäck, Fast Food und Zeitungen, und nach ein paar Schritten erreicht man auch schon das Freie.
Am Ausgang, gerade so, dass er bei Regen noch im Trockenen sitzt, kauert ein älterer Bettler auf einem Hocker. Tag für Tag, bei Hitze oder Minusgraden, immer den rechten Arm versteckt und den Blick nach unten gesenkt.Warscheinlich erkennt er die Passanten an ihren Schuhen. Sobald ein Geldstück in seinen Becher fällt, bedankt er sich mit einem leisen 'Danke'.

Neuerdings hat ein Schachspieler, noch im Schutz der Passage Position bezogen. Ein Osteuropäer, vermute ich. Von den drei Bierkisten, die er umgedreht vor sich aufgebaut hat, ist eine mit einem Schachbrett belegt, eine dient für ihn als Sitzplatz, und die dritte ist wohl für einen eventuellen Mitspieler bestimmt. Vielleicht spielt er selbst eine bekannte Partie nach. Davor liegt eine Schale mit Münzen.
Es bleibt abzuwarten, wie lange er hier bleiben kann.

In der Fußgängerzone kniet einer dieser ganz armen Teufel auf dem Pflaster. Tief gebeugt hält er die bloße Hand auf. Bei Regen darf er sich wenigstens eine Kapuze über den Kopf ziehen. Dies ist die schlimmste Form der Ausbeutung!

Ich befinde mich in einer reichen Stadt. Sie wirkt sauber und aufgeräumt. Die Schmuddelecken, in denen sich sonst die unterste gesellschaftliche Schicht aufhält, findet man nicht auf den ersten Blick. Deshalb sind diese Menschen beinahe unsichtbar, weil sie in dieser Umgebung sogar noch ordentlich wirken. An Elend denkt man nicht sofort.

Nur noch durch die Fress-Gass, vorbei an einer alten Frau auf einem Camping-Klappstuhl, die jeden freundlich grüßt, solange der Menschenandrang noch überschaubar ist. Sie hat einen guten Platz, und mit ihrem freundlichen Lächeln, gewinnt sie sicherlich die Herzen der Passanten.

Dann bin ich angekommen, in meiner Glitzerwelt, ein Haus voll Luxus und Schönheit. Das genaue Gegenteil zu der Welt da draußen.
 Hier drin verkaufe ich Aufmerksamkeit und ein bisschen Glück - soweit man dies für Geld bekommen kann.


Sonntag, 13. Oktober 2013

Traum und Wirklichkeit

Warum ist immer der Wunsch vorhanden, das Leben von Anderen zu leben?
Trotzdem möchte jeder der Welt zeigen, dass seines einzigartig ist.
Wir tauchen im Film in Geschichten ein, die niemals der Wirklichkeit entsprechen, weil wir davon träumen, alles sei besser, als die eigene Wirklichkeit, oder aber wir erheben uns darüber und sagen: "Ich bin doch viel mehr wert!"
Alle sind wir einzigartig und geben doch zusammen ein Ganzes.