Elsa und ihr Gralsritter
Eine alte Sage, neu erzählt.
Was für ein
Schicksal, mit dem Gott mich bestraft!
Viel zu früh hast
du mich verlassen, und welche Verantwortung hast du auf meine jungen
Schultern geladen! Die Schwere dieser Bürde droht mich zu erdrücken!
Kniend, am Totenbett
ihres Vaters, des Königs von Brabant, hadert Elsa mit dem Erbe, das
sie antreten soll. Es existiert kein männlicher Thronfolger und
nach dem Gesetz darf nur ein König das Land regieren.
In Demut soll ich
mich fügen und heiraten, verlangen mein Volk und meine Berater von
mir, klagt sie weinend.
Kaum ist das
königliche Begräbnis mit einer feierlichen Zeremonie begangen
worden, wirbt der Ritter des Königs, Graf Friedrich von Telramund,
ein tapferer Held, um Elsas Hand:
„Auf dem Totenbett
musste ich deinem Vater versprechen, dir als dein Ehemann zur Seite
zu stehen und als sein Nachfolger das Land zu regieren.“
Aber Elsa kann nicht
glauben, dass dies der Wunsch ihres gütigen Vaters war, der sie so
sehr liebte, und sie weigert sich, mit ihm die Ehe einzugehen.
In ihrer Not sucht
sie Hilfe im Gebet: „Allmächtiger Gott, wenn ich einen Mann
erwählen soll, dann nur den, der mir von Dir geschickt wird!“
Im selben Moment
klingt weit weg von hier beim Gral eine Glocke. Ihr Läuten verkündet
jedes Mal, irgendjemand bedarf dringend der Hilfe.
Elsa
beruft alle Fürsten zu einer Versammlung am Fluss ein, um ihre
Meinung zu hören, doch plötzlich sind alle Blicke auf das Wasser
gerichtet: Ein Kahn, gezogen von einem weißen Schwan, kommt daher
geschwommen. Ein Ritter steht darin, stolz und aufrecht, in einer
silbern glänzenden Rüstung, umgeben von einer strahlenden Aura.
Am Ufer
wird der Ritter, namens Lohengrin von der ganzen Versammlung staunend
und voll Freude empfangen. Der Schwan kehrt mit seinem Kahn sofort
wieder zurück.
An Elsa
gewandt fragt er, was für ein Leid sie bedrücke, und sie erzählt
ihm, unter welch falschem Vorwand Graf Friedrich sich den Thron
erschleichen will.
Als ihr
Ritter fordert Lohengrin den Graf zum Kampf, um Elsas Recht zu
erstreiten. Alle Verwandten und Fürsten stellen sich ein, um diesem
wichtigen Ereignis beizuwohnen.
Das
Recht ist auf der Seite des Stärkeren. Friedrich unterliegt und
gesteht, gelogen zu haben: Es habe nie ein Versprechen von Seiten des
Königs gegeben. Damit hat er sein eigenes Todesurteil gesprochen und
wird tags darauf durch das Beil gerichtet.
Elsa
erkennt in Lohengrin den von Gott gesandten Ehemann und verfällt in
großer Liebe zu ihm. Sofort wird mit den Vorbereitungen zu einer
königlichen Hochzeit begonnen.
Bevor
Lohengrin allerdings die Ehe mit Elsa eingehen kann, muss er ihr noch
ein Versprechen abnehmen:
„ Nie
sollst du mich befragen,
noch
Wissens Sorge tragen,
woher
ich kam der Fahrt,
noch
wie mein Nam' und Art !“
Er habe
als Ritter ein Gelöbnis abgelegt, und sobald dieses gebrochen werde,
müsse er sie auf immer verlassen. Elsas Glück jedoch ist
vollkommen, deshalb kann sie die Bedingung eingehen, nie die Frage
nach seiner Herkunft zu stellen.
Bald bekommen sie
nacheinander zwei Söhne und sind beide sehr glücklich. Lohengrin
regiert das Königreich Brabant mit Weisheit und ist beliebt bei
seinen Untertanen.
Aber eines Tages
spricht eine Herzogin voller Neid zu Elsa: „Er mag ja ein
heldenhafter Ritter sein, aber da niemand seine Herkunft kennt, ist
er sicherlich nicht von Adel und deshalb der Stellung eines Königs
nicht würdig.“
Diese Worte
beschämen Elsa und versetzen sie in große
Unruhe. Jede Nacht
beginnt sie zu weinen und bedrängt ihren Gatten, er möge ihr doch
sagen, woher er komme und ob er von adliger Geburt sei.
Ein paar Tage kann
er sie beruhigen, aber da ihr Drängen immer heftiger wird,
beschließt er, am vierten Morgen in aller Öffentlichkeit Auskunft
über seine Abstammung zu geben.
„Mein Vater
Parsifal, der Hüter des Grals hat mich gesandt. Als er den Klang der
Glocke vernahm, wusste er, dass sich jemand in großer Not befindet
und Hilfe braucht. Daraufhin hat mir Gott einen Schwan geschickt, der
mich mit einem Kahn übers Meer zog, um Elsa beizustehen.“
In diesem Moment
erst wird Elsa bewusst, dass sie ihr Versprechen gebrochen hat, das
sie vor der Ehe ablegte, und fällt in eine tiefe Ohnmacht. Nach dem
Erwachen ist ihre Seele für immer zerstört. Einsam und
zurückgezogen siecht sie von nun an dahin.
Lohengrin kam nie
wieder zurück. Ihre Söhne wurden zu Waisen, die in die Obhut des
Kaisers fielen.
-Für Stefan -