„Ich habe meinen
Termin bei Dr. Franz versäumt.“
„Was ist das für
ein Arzt?“
„Für Gefäße.“
„...und warum
sollst du dahin?“
„Ich saß in einem
Zimmer im Ärztehaus, und wurde dorthin geschickt. Manchmal bin ich
etwas vergesslich – immerhin bin ich schon 85!“
Aufgeregt blättert
sie in ihrem Spiral-Kalender, der an allen Seiten mit Post-its
beklebt ist, auf denen zusätzlichen Notizen vermerkt sind.
„Oder ist der
Termin erst später? - Nein, da steht's doch, der Termin war schon
vorgestern!“
Der halbe Tisch ist
übersät mit Notizen, Zeitungsausschnitten, Glückwunschkarten,
Todesanzeigen, alten und neuen Brillen. Wie soll man sich inmitten
dieses Chaos zurechtfinden?
„Das kann schon
mal passieren, ich vergesse auch manchmal etwas“ beruhige ich sie.
Mit einem neuen
Thema versuche ich die Situation zu entspannen und erzähle, am
Samstag hätte ich meine Tochter Ella besucht. Mit großem Interesse
folgt sie meiner Erzählung, das aber schon nach ein paar Sätzen
wieder erlischt. Dafür bekomme ich ausschweifend längst bekannte
Geschichten zu hören, die negativ in ihrem Gedächtnis verankert
sind. Übergangslos geht es weiter mit Stellungnahmen zur
Globalisierung, oder wie schädlich sich das Internet auf die
Menschheit auswirkt. - Das Fernsehen bringt ihr die Welt ins
Wohnzimmer. - Anschließend werden Erlebnisse aus der Vergangenheit
mit der heutigen Zeit verglichen.
Geduldig höre ich
immer wieder von Neuem zu, denn wer, außer der eigenen Tochter hat
Verständnis für Probleme, die in Wirklichkeit nicht existieren?
„Ach, und hast du
mal wieder etwas von Ella gehört?“
„Ja, ich habe sie
am Wochenende besucht.“
„Das ist aber
schön!“
Andere könnten es
für Gedankenlosigkeit oder Schusseligkeit halten, die Erfahrung
sagt mir jedoch, es ist ein langsamer, aber unaufhaltsamer Rückzug
in eine Welt, zu der am Ende niemand mehr Zugang haben wird.
Was bleibt ist
Resignation und Hilflosigkeit.