Translate

Montag, 22. Dezember 2014

Bei Ochs und Esel







„Wie feierst du Weihnachten?“ fragt mich Kollege Angelo und ich muss zugeben, dass es bei mir zur Zeit Stress mit der Verwandtschaft gibt. Ich schiebe den Gedanken daran etwas von mir.
„Deshalb habe ich darauf bestanden, mit meinem Mann Lucien in diesem Jahr alleine zu feiern.“ fährt er fort. „Mit seiner französischen Verwandtschaft gibt es jedes Jahr Streit und ich möchte diesmal ein friedliches Fest.“

Mit weit ausholenden Bewegungen, wie es sich für einen Italiener gehört und leicht entrückten Blick erklärt er mir:
„Weißt du, ich möchte so feiern, wie früher zu Hause in Neapel. Ich gehe zwar nicht in die Kirche, bin aber ein gläubiger Mensch. Wir sollten uns doch daran erinnern, dass wir den Geburtstag von Jesus feiern, der in dieser Nacht vor etwa 2000 Jahren zur Welt kam!“
Zusammen mit Lucien möchte er kochen, Musik hören und einen gemütlichen Abend verbringen. Alles ist schon vorbereitet.
„Ich habe einen Christbaum aufgestellt, der ist zwar etwas kitschig, aber mir gefällt das und darunter steht die Krippe für das Christuskind.“
Traditionsgemäß darf der Pannetone von Bauli, den er in der Markthalle gekauft hat auch nicht fehlen.
„Um Mitternacht nehme ich dann das Jesuskind und lege es in seine Krippe. So, wie wir es in Italien gemacht haben. Danach schneide ich den Pannettone an und dazu trinken wir ein Glas Champagner.“

Ich bekomme Gänsehaut, so sehr rührt mich seine Ausführung und zeige Angelo, wie sich auf meinem Arm die Härchen aufstellen. Von ihm kommt darauf ganz spontan:
„Wenn du Ruhe haben willst, dann feiere doch einfach mit uns!“
Natürlich werde ich diesen Abend mit meiner Familie verbringen, jedoch ist diese Einladung für mich ein ganz besonderes Geschenk, das mich ein wenig stolz macht.

Wir sollten uns den eigentlichen Gedanken dieser Nacht wieder bewusst machen. Menschen verschiedener Nationalitäten und Lebensformen versammeln sich friedlich, wie vor 2000 Jahren in einem Stall bei Ochs und Esel ...



Mittwoch, 17. Dezember 2014

The same procedure as every year






Der ruhigste Ort im Dezember ist die Damen-Abteilung im Kaufhaus.
Frauen sind während dieser Zeit mit ihren Weihnachts-Einkäufen beschäftigt, und weniger an Kleidung interessiert. Eventuell wird noch ein Schal zum Verschenken gesucht, oder sonst eine Kleinigkeit.
Dort ist auch nicht sehr viel von einer Weihnachtsstimmung zu spüren. Irgendwo steht zwar ein Tannenbaum, und die Musik-Berieselung bemerke ich auch nur noch bei genauem Hinhören.
Kurz vor dem Fest suchen manchmal verzweifelte Männer etwas, womit sie ihre Gattin oder Freundin beeindrucken können. Richtig rührend wirken sie in ihrer Hilflosigkeit. Ich gebe mein Bestes. Meistens sehen allerdings die verliebten Augen eines Mannes mehr oder weniger Kurven an ihrer Partnerin, als vorhanden. Haben wir dann zusammen etwas ausgesucht, sind sie so glücklich, als wäre ich ein Engel, der ihnen direkt vom Himmel geschickt wurde.

Am Ende solch eines Arbeitstages trete ich vor die Türe und blicke auf die reich und fantasievoll geschmückten Dächer der Buden des Weihnachts-Marktes. Die ganze Pracht wurde wohl deshalb auf die Dächer verlagert, weil unten durch die dichtgedrängten Menschenmassen der Blick verstellt ist.
Drangvolle Enge überall und ein Durchkommen ist ohne ein gemäßigtes Einsetzten der Ellbogen kaum möglich. Über allem schwebt eine Wolke von aromatisiertem Rotwein. In einer Nische, die durch das zurückwerfen der Schallwellen eine gute Akustik verspricht, stehen ein paar Bläser aus St. Petersburg und spielen Stille Nacht....(Die armen Einwohner von St. Petersburg haben vor Weihnachten keine Musik, weil alle ihre Musiker auf deutschen Märkten stehen).
Die Buden sind auf zwei Plätze verteilt, die durch ein Straße verbunden sind – da muss ich durch. Als wenn man versuchen würde, einen reißenden Strom zu durchqueren, bin ich bemüht, mir einen Weg zu bahnen, immer auf der Hut, nicht vom Glühwein verbrüht zu werden, oder in einem Kinderwagen zu landen.

Ich will meinen Zug erreichen! Beinahe erfasst mich Panik.

Atemlos und erschöpft erreiche ich dann doch meine Bahn, die überfüllt ist mit Personen, die sich, voll bepackt mit Tüten und Kartons ebenso auf dem Heimweg befinden. Manche haben auch etwas zu viel vom Glühwein genossen, und haben Mühe, die Richtung zu finden oder sich aufrecht zu halten.

Bei so viel Weihnachts-Rummel möchte ich zu Hause nur noch abschalten. Dort empfängt mich jedoch die Familie mit ihren Erwartungen.
Meine Mutter verkündet jedes Jahr trotzig, sie bleibe am Fest zu Hause vor dem Fernseher, was natürlich überhört wird.
Die Tochter besteht auf der Tradition, eines reich geschmückten Weihnachtsbaumes, und um uns zu entlasten, möchte sie dies auch selbst vornehmen. Zwei Tage zuvor kommt sie angereist, da sie sich vor Heilig Abend traditionell mit ihren Schulfreunden trifft. Solche Freundschaften sind etwas Seltenes, deshalb wird das Wiedersehen bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.
Am nächsten Tag muss ich sie dann um die Mittagszeit, daran erinnern, dass sie den Baum schmücken wollte und sie deshalb langsam aufstehen sollte. Am Nachmittag haben wir dann auch jedes Jahr einen wunderschönen Baum mit Wachskerzen.

Die Ersten sind schon auf dem Weg zur Kirche. Es ist auch Beeilung angesagt, um einen Platz zu ergattern. Denn einmal im Jahr möchte man doch wenigstens für die Kirchensteuer etwas geboten bekommen.
Für mich beginnt in jedem Jahr Weihnachten, wenn vom Rathausturm die Turmbläser Weihnachts-Lieder spielen. Viele versammeln sich auf dem Platz davor und genießen mit mir, den Moment des Abschaltens von der Hektik.

Wieder zu Hause werden die Lichter angezündet und Geschenke verteilt, und anschließend versammeln wir uns um den Tisch zum Festessen. - Ohne einen riesigen Vogel, der uns mit seiner Masse zu erschlagen droht.
Ich koche gerne, sogar sehr gerne, was dazu geführt hat, dass die Ansprüche der Familie auch stetig wachsen. Nach drei Tagen, die ich fast ausschließlich in der Küche verbracht habe, ist der Enthusiasmus trotzdem etwas verflogen.

Am ersten Tag nach Weihnachten, beginnt in in der Damen-Abteilung das eigentliche Weihnachts-Geschäft. Fast jeder hat Urlaub, und den ganzen Stress hinter sich gelassen. Geldgeschenke werden in Waren umgetauscht, Gutscheine eingelöst, und die Männer, die vor wenigen Tagen noch so glücklich schienen, tauschen mit verlegener Miene um.

Ach wie freue ich mich auf den Neujahrstag, da ist Weihnachten noch so weit weg!





Sonntag, 7. Dezember 2014

MADE MY DAY






Seit ich überall diesen Life-Coaches, Mentaltrainern und Therapeuten begegne, fühle ich mich wie eine Feder im Wind.
Ganz im Hier und Jetzt lebend und frei von Zukunftsängsten.

Den Job gehe ich täglich mit Begeisterung an, allein weil er mich erfüllt und ich weder für Geld noch für den Chef arbeite. Sollte ich doch irgendwann dem Gefühl begegnen, in einer Sackgasse angekommen zu sein, habe ich jederzeit die Möglichkeit, alle Brücken hinter mir abzubrechen und eine völlig neue Richtung einzuschlagen.

Ich ignoriere die hilfesuchenden Anrufe meiner desorientierten Mutter und die Lebenskrise meiner Tochter. Es ist schließlich MEIN Leben, dem ich mit Achtsamkeit zu begegnen habe und mache mich frei, von dem Gedanken, die Erwartungen Anderer erfüllen zu müssen. Nichts und niemand hat das Recht mich zu vereinnahmen.

Morgens um fünf Uhr beginne ich mit der Meditation, während der ich zu meiner inneren Mitte finde, um danach mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen den jungen Tag zu begrüßen.

Doch eigentlich …

Im Hier und Jetzt ziehe ich mir die Bettdecke über den Kopf, weil ich keinen Bock auf diese Welt habe, die mir jeden Tag ein Stück von meiner Kraft raubt.
Manchmal sehnt man sich nur nach etwas Ruhe, aber im Alltag ist sie schwer zu finden.