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Sonntag, 26. Januar 2014

Leon und Luna




Heiraten?

Das heißt, Leben und Liebe eins sein lassen, dass die Liebe das Leben ist, und das Leben die Liebe.

„Leonce idealisiert hier die Liebe, wobei er früher eine Heirat als Pflichterfüllung ansah. Siehst du das nicht auch so Luna?“
„Ja, dabei würde Lena lieber sterben, als zu heiraten.“

Büchner ist beinahe jedes Jahr Stoff im Deutsch-Abitur. Leon und Luna bereiten sich während eines Spaziergangs am Ufer eines Baches darauf vor, da eine der Aufgaben sicher einen Aufsatz über das Lustspiel von Leonce und Lena verlangt. Da sie verschiedene Schulen in der selben Stadt besuchen, kennen sie sich noch nicht lange, doch beide verbindet das Interesse an der Literatur und aus diesem Grund haben sie sich für das Wahlfach Deutsch entschieden.

„Ciao, wir sehen uns heute Abend bei der Orchesterprobe!“
Im städtischen Orchester spielt Luna Klarinette und Leon bläst das Waldhorn. Zwei Instrumente, die viel Kraft erfordern.
Obwohl Luna sehr zierlich scheint, verfügt sie als Hobby-Tänzerin über eine ausgeprägte Muskulatur und eine Disziplin, die sie auch beim Spielen dieses Instruments unterstützen.
Leon ist eher der Schöngeist mit einer großen Portion Humor, als der durchtrainierte Sportler, aber voller Stolz und Begeisterung entlockt er dem Waldhorn diese vollen, tiefen Töne, die ein großes Luftvolumen erfordern.

„Besuchst du mich morgen zu Hause?“ fragt Leon in der Pause hoffnungsvoll seine neue Bekanntschaft. Luna nimmt seine Einladung an, macht sich aber gleichzeitig Gedanken darüber, was er wohl für sie empfindet. Luna mag seinen Humor, mit dem er jeden in seiner Umgebung zum Lachen bringt, aber reicht das für mehr? Nein, mehr als Sympathie kann sie nicht empfinden.
Diese Erkenntnis macht sie irgendwie traurig.
„Ich muss es ihm schonend beibringen und die Situation klären. Hoffentlich setze ich unsere Freundschaft nicht aufs Spiel!“
Unsicher, aber fest entschlossen, Klarheit zu schaffen, besucht sie Leon in seinem Elternhaus. Mit dem Gesicht zum Fenster gewandt steht er in seinem Zimmer und erklärt stockend: „Ich mag dich wirklich sehr, Luna, aber wenn ich in mich hineinhöre, spüre ich keine Verliebtheit.“
Luna fällt ein Stein vom Herzen. In ihrer Umarmung versprechen sie sich Freunde zu bleiben und die Atmosphäre zwischen ihnen entspannt sich merklich.

Nachdem beide das Abitur erfolgreich abschließen, trennen sich ihre Wege, da jeder einen anderen Studiengang an einem anderen Ort wählt. Doch durch die modernen Kommunikations-Möglichkeiten erhalten sie die Verbindung aufrecht, obwohl sich Luna kurz darauf in Timo verliebt und Leon bald darauf Anna kennenlernt, in die er ebenfalls unsterblich verliebt zu sein scheint.
Eine Hochschulausbildung verlangt heute Mobilität und Auslandserfahrung, deshalb wechselt Anna schon nach einem halben Jahr an eine renommierte Universität außerhalb Deutschlands. Die Gefühle Annas halten der räumlichen Trennung nicht stand und sie beendet die Beziehung.
Für Leon bricht eine Welt zusammen. Er will nicht wahr haben, dass dies das Ende seiner Liebe ist. Dabei hört er nicht auf zu hoffen, dass Anna wieder zu ihm zurückkommt.
In seinem Kummer, sucht er Rat und Trost bei Luna, die manchmal auch einen Freund braucht, der ihr zuhört, wenn sie mit Timo eine Krise durchlebt.
„Vergiss doch Anna endlich und such dir eine neue Freundin!“ rät Luna, nachdem sie dieses Gejammer nicht mehr ertragen kann.
„Deine guten Ratschläge kann ich wirklich nicht gebrauchen. Meine Eltern liegen mir schon dauernd in den Ohren, dass ich endlich mit meinem Studium fertig werden soll, damit ich eine Familie gründen kann, mit Frau und Kindern. Sie sind nicht mehr so jung und da setzt man seine ganzen Hoffnungen in den einzigen Sohn. Im Übrigen sehen sie es nicht gerne, dass ich immer noch diesen engen Kontakt zu dir pflege, weil der angeblich zu nichts führt.“

Gibt es tatsächlich Freundschaften zwischen Mann und Frau?
Harry und Sally haben in dem gleichnamigen Film auch daran geglaubt und sind am Ende eines besseren belehrt worden – nach zehn Jahren Freundschaft haben sie geheiratet.
Oder sollten sie wie Leonce und Lena doch noch zusammenfinden, die ihrem Schicksal auch nicht entrinnen konnten?

Sieben Jahre sind seit ihrem gemeinsamen Spaziergang vergangen. Wie in diesem Film haben sie sich in den Ferien und an Feiertagen an ihrem Heimatort getroffen.
Luna arbeitet nun in der selben Stadt wie Leon. Ihre Beziehung mit Timo ist nach dieser Zeit ebenfalls in die Brüche gegangen, aber im Gegensatz zu Leon, findet sie sofort eine neue Liebe. Sie lebt jetzt mit Harald zusammen.

„Am Sonntag komme ich zu euch zum Brunch. Ich bring auch etwas zu Essen mit.“ lädt sich Leon bei Luna und Harald selbst ein.
Leons Humor ist einfach unschlagbar und es wird ein äußerst lustiger Morgen. Der Beschluss, sich öfters zum Brunch zu treffen steht fest.

Am nächsten Tag erhält Luna von Leon eine kurze SMS: „Ich bin schwul, und weiß nicht, wie ich es meinen Eltern beibringen soll.“

Luna fällt aus allen Wolken. „Wir waren über eine so lange Zeit freundschaftlich eng verbunden, und ich habe nichts bemerkt!“
Diese Freundschaft ist ihr zu wichtig, um sie der Intoleranz zu opfern, deshalb will sie ihm auch zur Seite stehen und wenn nötig, sich auch für ihn bei seinen Eltern einsetzen.
Jeder Versuch, mit Leon Kontakt aufzunehmen scheitert. Er scheint wie vom Erdboden verschluckt. Auch zum gemeinsamen Freundeskreis bricht er jeglichen Kontakt ab.
Luna ist völlig verzweifelt. „Ist er verletzt, weil ich so blind war? Oder schämt er sich? Was ist hier schiefgelaufen?“
„An Weihnachten ist er sicherlich zu Hause.“ Seine Mutter empfängt Luna überaus herzlich. Dagegen verläuft die Begegnung mit Leon etwas kühl. Beim Abschied verspricht er, sich wieder zu melden, was aber nie geschieht.

Vielleicht hat er begonnen, ein völlig neues Leben zu leben, eines in dem er wirklich glücklich sein kann.
Alle Eltern haben eine Vorstellung davon - auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollen - wie sich das Lebensglück ihrer Kinder gestalten sollte. Doch aus den Kindern bilden sich Menschen mit einer eigenen Persönlichkeit, die man so annehmen muss und nicht verbiegen darf.  






Sonntag, 12. Januar 2014

Too Old To Rock'n Roll, Too Young To Die

Den sechzigsten Geburtstag empfindet jede Frau als den absoluten Supergau. Öfter blickt man nun zurück, als dass man Pläne für die Zukunft schmiedet.
Ideen wurden aufgegriffen und wieder verworfen. Viel wurde erlebt und durchlitten, wobei rückblickend die Probleme der Jugend lächerlich klein wirken, ohne dass ich Sehnsucht nach dieser Zeit hätte, denn das ganze Leben unterliegt dem Wandel.
Nur die Musik, die man damals geliebt hat bleibt.
Man tröstet sich mit der Einsicht, dass die Rock'n Roller von einst inzwischen auch alte Männer sind und trotzdem die gleiche Jugendlichkeit ausstrahlen, die man selbst noch spürt. Obwohl ich dieses Gefühl nicht nach außen trage, in Form von Minirock und Nieten-Klamotten.

Beinahe mitleidig betrachte ich die Frauen, die nach außen nur darauf bedacht sind, dass ihnen nicht der kleinste Makel anhaftet. Die Frisur ist akkurat toupiert, die Bügelfalte sitzt perfekt und der weiße Blusenkragen strahlt makellos. Gefangen in ihren überzogenen Prinzipien und Moralvorstellungen, haben sie versäumt zu leben. Immer mit dem Hintergrund, den Idealen ihres Umfelds zu genügen.

Etwa mit dreißig erschafft man sich ein Bild davon, wie das Alter aussehen könnte. Auf keinen Fall hinfällig, langweilig und spießig!
Später mit sechzig, Saxophon zu spielen, fand ich schräg. Allerdings bedarf es im wahrsten Sinne des Wortes einen langen Atems und sehr viel Zeit.
Auch hätte ich nicht gedacht, dass ich in diesem Alter noch arbeite, jedoch stelle ich heute fest, es ist das beste Mittel, um fit zu bleiben. Andererseits scheint mir die Natur gnädig gestimmt und hat mich bisher vor groben Alterserscheinungen verschont. Bevor sie es sich anders überlegt, entschließe ich mich, diese vielleicht letzte Möglichkeit zu nutzen, mit einem professionellen Foto-Shooting beim Fotografen.

Von einer international arbeitenden Visagistin werde ich passend zum jeweiligen Look geschminkt. Von Jeans bis Cocktail-Kleid wird die ganze modische Bandbreite abgedeckt.
Über mehrere Stunden hinweg werden unendlich viele Bilder an mehreren Locations geschossen: Im Studio, im Freien, in einem Modegeschäft, in einer alten morbiden Wohnung und auf einem stillgelegten Bahngleis.
Sechs Stunden unter ständiger Anspannung - ich bekomme eine Ahnung vom Job eines Models!
Mit dem Ergebnis bin ich äußerst zufrieden und egal, was die Zukunft bringt, dieses außergewöhnliche Erlebnis bleibt mir erhalten.
Beweisen muss man sich nun nichts mehr, man kennt seinen Wert.

Saxophon zu spielen, werde ich nicht mehr lernen, dennoch habe ich eine andere Form des persönlichen Ausdrucks entdeckt: Das Schreiben. Es erfordert einen ebenso langen Atem, doch der Rock'n Roll im Herzen verleiht Kraft und Flügel – noch heute.

-Dank an Nursen und Bernard-









Sonntag, 5. Januar 2014

Die guten Tage




Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen, erkannte schon Goethe.







An solch "guten" Tagen erwartet jeder von sich und seinen Nächsten ein zu hohes Maß an Perfektion. In übermäßiger Anstrengung wir nach der heilen Welt gesucht.
Alte Beziehungen reiben sich an der ungewohnten Nähe. Neue Beziehungen werden einer Prüfung unterzogen. Sie sind noch zerbrechlich, weil jeder, der beiden Partner auf der Suche nach dem absoluten Glück mit seiner Unsicherheit und der Angst vor einem Scheitern kämpft.
Großmütter erhoffen sich mit Geschenken Aufmerksamkeit eintauschen zu können. Doch in einer Kultur des Nehmens nimmt sich kaum jemand die Zeit zuzuhören.
Die Oma ist doch selbst schuld, wenn sich keiner um sie kümmert, sie hätte doch die Möglichkeit sich einem Seniorenkreis anzuschließen, oder der über 90jährigen Nachbarin, die obwohl sie Kinder und Enkel hat, die Feiertage auch alleine verbringt.

Im Internet existiert sie noch, die scheinbar heile Welt. Hier steht ein unüberschaubar großer Personenkreis zur Verfügung, dort bleibt keiner allein.
Die guten Wünsche, die ins Universum hinausgehen, treffen garantiert auf eine ebenso einsame Seele, die sich angesprochen fühlt, mit dem Empfinden, jemand habe an sie gedacht.
In dem riesigen Angebot von Kontakt-Möglichkeiten entstehen flüchtige Begegnungen, ohne Verpflichtung – Wegwerf-Bekanntschaften ohne bleibenden Wert.


Beim Beginn eines neuen Jahres bleibt die Hoffnung, alles werde gut.