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Samstag, 3. Mai 2014

Detlef und sein Schwiegervater





„Über meen Schwiejervater da könnt ick dir Jeschichten erzähln, det gloobste nich“, berlinert Detlef. "Wat der immer für ne Scheiße baut, det is eenfach unfassbar und geizig isser noch dazu. Ick weeß jarnich, wat der mit dem janzen Jeld macht."

Tatsächlich gibt es unendlich viele Geschichten vom Schwiegervater, die er auch immer und überall preisgibt. Sei es in geselliger Runde oder während eines Vortrages über Stress, weil er der Meinung ist, er leiste damit einen wertvollen Beitrag zu diesem Thema.
Überhaupt stecken in seinem Kopf lauter vorgefertigte Ansichten, und was er nicht kennt, hat für ihn keinen Platz in seinem engen Weltbild.
„Wenn icke Bundeskanzler wär, ick würde se alle rausschmeißen, det arbeitsscheue Pack und diese Schwuchteln, die haben doch inner Politik ooch nix verloren.“

Detlef ist krank. Mit Anfang fünfzig steht er eigentlich noch mitten im Leben, aber seine Gelenke sind durch rheumatische Entzündungen stark angegriffen. Die Haut ist ebenfalls befallen und mit roten Flecken übersät. Sein Allgemeinzustand ist ziemlich schlecht, deshalb bekommt er jedes zweite Jahr eine Kur zur Rehabilitation verordnet.
Mit seiner Berliner 'Kodderschnauze' findet er schnell Kontakt, wenn er auch durch den Stress, in den er sich selbst versetzt, anfangs jedem auf die Nerven fällt. Aber sobald man die Komik, die hinter dieser Situation steckt erkannt hat, erhält das Ganze einen besonderen Unterhaltungswert.

Nach der vierwöchigen Kur hat sich sein Zustand wesentlich verbessert. Ein nicht unerheblicher Beitrag haben wohl die Menschen in seiner Umgebung geleistet, die es geschafft haben, dass er sich selbst nicht mehr allzu verkrampft sieht und ein paar seiner Sorgen nach Hause seiner Familie schicken kann. Die geht vielleicht entspannter damit um.

In zwei Jahren wir er wohl wieder eine Kur antreten und wird wieder seinen Schwiegervater im Rucksack mittragen, falls der so hochbetagt wie er ist, noch lebt. Möglicherweise wird es dann eine andere Last sein, die er mit sich schleppt.
Manchmal sind es erdrückende Gedanken, die krank machen und ein neues soziales Umfeld kann, neben der medizinischen Versorgung wesentlich zur Genesung beitragen.


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