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Sonntag, 22. Dezember 2013

Welt der Sagen




                                                     Elsa und ihr Gralsritter

                                                      Eine alte Sage, neu erzählt.



Was für ein Schicksal, mit dem Gott mich bestraft!
Viel zu früh hast du mich verlassen, und welche Verantwortung hast du auf meine jungen Schultern geladen! Die Schwere dieser Bürde droht mich zu erdrücken!

Kniend, am Totenbett ihres Vaters, des Königs von Brabant, hadert Elsa mit dem Erbe, das sie antreten soll. Es existiert kein männlicher Thronfolger und nach dem Gesetz darf nur ein König das Land regieren.
In Demut soll ich mich fügen und heiraten, verlangen mein Volk und meine Berater von mir, klagt sie weinend.

Kaum ist das königliche Begräbnis mit einer feierlichen Zeremonie begangen worden, wirbt der Ritter des Königs, Graf Friedrich von Telramund, ein tapferer Held, um Elsas Hand:
„Auf dem Totenbett musste ich deinem Vater versprechen, dir als dein Ehemann zur Seite zu stehen und als sein Nachfolger das Land zu regieren.“
Aber Elsa kann nicht glauben, dass dies der Wunsch ihres gütigen Vaters war, der sie so sehr liebte, und sie weigert sich, mit ihm die Ehe einzugehen.

In ihrer Not sucht sie Hilfe im Gebet: „Allmächtiger Gott, wenn ich einen Mann erwählen soll, dann nur den, der mir von Dir geschickt wird!“
Im selben Moment klingt weit weg von hier beim Gral eine Glocke. Ihr Läuten verkündet jedes Mal, irgendjemand bedarf dringend der Hilfe.

Elsa beruft alle Fürsten zu einer Versammlung am Fluss ein, um ihre Meinung zu hören, doch plötzlich sind alle Blicke auf das Wasser gerichtet: Ein Kahn, gezogen von einem weißen Schwan, kommt daher geschwommen. Ein Ritter steht darin, stolz und aufrecht, in einer silbern glänzenden Rüstung, umgeben von einer strahlenden Aura.

Am Ufer wird der Ritter, namens Lohengrin von der ganzen Versammlung staunend und voll Freude empfangen. Der Schwan kehrt mit seinem Kahn sofort wieder zurück.
An Elsa gewandt fragt er, was für ein Leid sie bedrücke, und sie erzählt ihm, unter welch falschem Vorwand Graf Friedrich sich den Thron erschleichen will.
Als ihr Ritter fordert Lohengrin den Graf zum Kampf, um Elsas Recht zu erstreiten. Alle Verwandten und Fürsten stellen sich ein, um diesem wichtigen Ereignis beizuwohnen.
Das Recht ist auf der Seite des Stärkeren. Friedrich unterliegt und gesteht, gelogen zu haben: Es habe nie ein Versprechen von Seiten des Königs gegeben. Damit hat er sein eigenes Todesurteil gesprochen und wird tags darauf durch das Beil gerichtet.

Elsa erkennt in Lohengrin den von Gott gesandten Ehemann und verfällt in großer Liebe zu ihm. Sofort wird mit den Vorbereitungen zu einer königlichen Hochzeit begonnen.
Bevor Lohengrin allerdings die Ehe mit Elsa eingehen kann, muss er ihr noch ein Versprechen abnehmen:

Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam' und Art !“

Er habe als Ritter ein Gelöbnis abgelegt, und sobald dieses gebrochen werde, müsse er sie auf immer verlassen. Elsas Glück jedoch ist vollkommen, deshalb kann sie die Bedingung eingehen, nie die Frage nach seiner Herkunft zu stellen.

Bald bekommen sie nacheinander zwei Söhne und sind beide sehr glücklich. Lohengrin regiert das Königreich Brabant mit Weisheit und ist beliebt bei seinen Untertanen.
Aber eines Tages spricht eine Herzogin voller Neid zu Elsa: „Er mag ja ein heldenhafter Ritter sein, aber da niemand seine Herkunft kennt, ist er sicherlich nicht von Adel und deshalb der Stellung eines Königs nicht würdig.“
Diese Worte beschämen Elsa und versetzen sie in große
Unruhe. Jede Nacht beginnt sie zu weinen und bedrängt ihren Gatten, er möge ihr doch sagen, woher er komme und ob er von adliger Geburt sei.
Ein paar Tage kann er sie beruhigen, aber da ihr Drängen immer heftiger wird, beschließt er, am vierten Morgen in aller Öffentlichkeit Auskunft über seine Abstammung zu geben.

„Mein Vater Parsifal, der Hüter des Grals hat mich gesandt. Als er den Klang der Glocke vernahm, wusste er, dass sich jemand in großer Not befindet und Hilfe braucht. Daraufhin hat mir Gott einen Schwan geschickt, der mich mit einem Kahn übers Meer zog, um Elsa beizustehen.“

Lohengrin verabschiedet sich von seinen beiden Söhnen mit einem Kuss und steigt in den Kahn, mit dem der Schwan wieder angeschwommen kam, und kehrt eilig zum Gral zurück.

In diesem Moment erst wird Elsa bewusst, dass sie ihr Versprechen gebrochen hat, das sie vor der Ehe ablegte, und fällt in eine tiefe Ohnmacht. Nach dem Erwachen ist ihre Seele für immer zerstört. Einsam und zurückgezogen siecht sie von nun an dahin.
Lohengrin kam nie wieder zurück. Ihre Söhne wurden zu Waisen, die in die Obhut des Kaisers fielen.

-Für Stefan -

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