Das
glaub' ich jetzt nicht! Auf meinem Handy erscheint eine eMail mit
einer Einladung zur Leipziger Buchmesse. Sieben Minuten gibt man mir
Zeit, um bei einem Dating mit einem Verlag mein Manuskript
vorzustellen.
Natürlich
habe ich mich vor ein paar Wochen über ein Forum Junger Autoren
für diese Veranstaltung angemeldet, aber doch niemals mit einer
Einladung gerechnet. Anscheinend hat man mich aufgrund meines Exposés
und meines Blogs einer Teilnahme für würdig befunden.
In
zehn Tagen, sonntags um 12 Uhr ist der Termin bereits, da bleibt mir
bei einer sechsstündigen Anfahrt keine andere Möglichkeit, als
einen Tag vorher anzureisen und zu übernachten.
Ob
wohl schon alle Hotels ausgebucht sind?
In
Kombination mit einer Bahnfahrkarte gibt es noch ein Zimmer und ich
buche sofort. Da sollte man nicht lange überlegen.
Mein
Manuskript muss noch vervollständigt und das bereits vorliegende
Exposé ergänzt werden.
So
ausgerüstet fahre ich nach Leipzig und erreiche am späten
Nachmittag den dortigen Bahnhof. Der ist gigantisch groß und völlig
verwirrend. Verschiedene Ebenen sind mit Rolltreppen verbunden und
ich sehe keinen Hinweis darauf, wo ich dieses Gebäude verlassen
kann.
Nachdem
ich mich bis zum Ausgang durchgefragt habe, beschließe ich die
Gelegenheit zu nutzen, in dieser mir bisher unbekannten Stadt einen
kleinen Stadtbummel einzulegen, wobei ich von dem historischen
Stadtbild sehr angetan bin.
Wie
ich leider feststellen muss liegt das Hotel, welches ich so
kurzfristig gebucht habe ziemlich außerhalb der Stadt und die
Anbindung durch ein öffentliches Verkehrsmittel ist eher ungünstig.
Bevor ich umherirre, nehme ich mir doch lieber ein Taxi, zumal es
schon dunkel wird.
Am
Taxistand winkt mir schon von weitem ein freundlicher älterer Herr
zu - ein echter Leipziger, wie sich später herausstellt. Bei der
Angabe meines Fahrtzieles stutzt er und weist mich darauf hin, dass
es von dieser Hotelkette zwei Häuser in der Stadt gäbe. Bei meinen
Anmeldepapieren finde ich weder einen Straßennamen, noch eine
Telefonnummer (habe ich einen Teil der vielen Unterlagen vergessen?).
Er
macht mir daraufhin den Vorschlag, zuerst ins näher gelegene Hotel
zu fahren und auf mich zu warten, bis ich mich erkundigt habe, ob ich
dort registriert bin. Mit dem Fahrstuhl geht es kurz in die siebte
Etage, wo sich die Reception befindet und erhalte dort die Auskunft,
im anderen Hotel gleichen Namens gebucht zu haben.
Weiter
geht die Fahrt. Mein Taxi-Chauffeur gestaltet sie mit seinem
sächsischen Humor recht kurzweilig und erzählt, Jahrgang 43 sei er
(von wegen Rente mit 63).
Beim
Einchecken im Hotel weist mich die junge Dame an der Reception darauf
hin, ich möge doch mein Frühstück erst nach neun Uhr einnehmen, da
zwei große Reisegruppen im Haus seien.
In der
Sitzgruppe daneben warten zwei Frauen auf den Arzt, weil eine davon
ohnmächtig wird oder zu ersticken droht.
Mir
scheint ganz Leipzig ist im Ausnahmezustand.
Ich
freue mich nun endlich auf die Ruhe in meinem Zimmer. An der Türe
klebt das Nichtraucher-Zeichen. Ist mir recht, obwohl ich es nicht
ausdrücklich verlangt habe. Jedoch beim Betreten des Zimmers habe
ich den Eindruck, eine Kneipe am Morgen in den Siebzigern zu
betreten. Das Zimmer wurde wohl noch am selben Tag zu
Nichtraucher-Zimmer deklariert.
Gegessen
habe ich auch schon längere Zeit nichts mehr. Ins Restaurant möchte
ich eigentlich nicht, deshalb frage ich nebenan in der Sports-Bar den
sympathischen Barmann, ob man irgendwo vielleicht nur eine
Kleinigkeit bekommt.
„Nehmen
sie bitte hier Platz und wählen etwas aus der Karte.“
Die
zwei großen Bildschirme mit Fußball-Übertragung empfinde ich zwar
ziemlich störend, aber lange möchte ich mich auch nicht
aufhalten.
„Ich
hätte gerne den Salat mit Roastbeef und ein Köstritzer Bier,“
gebe ich meine Bestellung auf.
„Haben
sie etwas Zeit? Unsere Küche ist ziemlich im Stress,“ erklärt mir
der freundliche Barmann mit Migrations-Hintergrund.
Nachdem
er bei mir eine gewisse Unschlüssigkeit erkennt, fordert er mich auf
ihm zu folgen. Um die Ecke ist ein unberührtes kaltes Buffet voller
Köstlichkeiten aufgebaut, davon solle ich mir nehmen soviel ich
möchte, es koste sechs-fünfzig.
Der
Tag war recht ereignisreich und trotz einer gewissen Anspannung wegen
meines Dates am nächsten Tag bin ich müde genug, um gut zu schlafen
und bin deshalb auch schon früh ausgeruht, um vor neun Uhr beim
Frühstück zu sein. Tatsächlich herrscht noch ein ähnlicher
Betrieb wie in einer Bahnhofshalle, aber es lichtet sich schon
allmählich, sodass ich einigermaßen ruhig mein Frühstück
einnehmen kann.
Beim
Auschecken lasse ich mir ein Taxi rufen und man bittet mich in der
Lounge zu warten, der Fahrer würde mich dort abholen.
Nach
einigen Minuten kommt ein seriös wirkender Herr im dunklen Mantel
durch die Eingangstür, spricht mich mit meinem Namen an und fragt
mich, ob ich ein Taxi bestellt habe. Leicht verwundert bejahe ich
und werde zu der großen schwarzen Mercedes-Limousine begleitet, die
direkt vor dem Eingang steht wo man mir die Türe zum Fond aufhält.
Nach
der Nennung meines Zieles muss ich nun doch nachfragen, ob ich denn
tatsächlich in einem Taxi befördert werde, nachdem ich auch kein
Schild entdecken konnte, worauf der Herr am Steuer ganz locker
antwortet, er käme vom Limousinen Service.
Nun
ja, wer erfolgreich sein will muss klotzen und darf nicht kleckern.
Deshalb kann es nicht schaden, mit Chauffeur vorzufahren, solange ich
keinen Aufpreis dafür zahlen muss.
Die
offizielle Öffnung der Messehallen beginnt erst und ich habe
außerdem noch viel Zeit, mich vor meinem Termin in den Hallen
umzusehen. Dort finde ich auch den Stand des Verlages mit dem ich in
Kontakt treten soll und schaue mich dort um. Das Programm ist mir
zwar einigermaßen bekannt, aber was ich dort sehe, sind nur
Biografien von berühmten Personen. Bei diesem Genre denke ich nicht,
dass wir zusammenkommen werden, da es sich bei meinem Manuskript eher
um einen Roman handelt und meine Großmutter bislang noch nicht
berühmt ist.
Um elf
Uhr melde ich mich für die Veranstaltung an, hole meine Terminkarte
und setze mich schon leicht erschöpft ins Foyer auf ein Sofa.
Im
Vorfeld war meine Anspannung recht groß, weil ich bei diesem
Speed-Dating einen Partner finden soll – also einen
Verlags-Partner, aber in den letzten Stunden ist meine Anspannung
regelrecht verflogen. Ich geh' da jetzt einfach rein denke ich mir,
und erzähl' ein bisschen was. In sieben Minuten kann jemand eh nur
einen kurzen, allgemeinen Eindruck gewinnen.
Eine
Viertelstunde vorher, nehme ich auf der Stuhlreihe an der Seite des
Raumes Platz. Wie in der Tanzstunde, wo man wartet bis man
aufgefordert wird.
In der
Mitte des Raumes sind kleine Tische verteilt, an denen sich immer
zwei Personen gegenüber sitzen.
Der
Gong ertönt. Ich bin dran. Der Verleger begrüßt mich freundlich
lächelnd und stellt fest, dass ich ihm schon an seinem Stand
aufgefallen sei. Meine Geschichte fasse ich in wenigen Worten
zusammen und er lässt mich erzählen. Dieses Lächeln irritiert mich
etwas.
Er
erklärt mir, was ich zwischenzeitlich schon wusste, dass meine
Geschichte nicht in sein Programm passt und gibt mir noch einige
Tipps, wohin ich mich wenden kann. Wieder ertönt der Gong und er
entlässt mich mit dem Wunsch, dass ich Erfolg habe.
Zumindest
hatte ich das Gefühl als Person zu überzeugen. Es war eine tolle
Erfahrung, die mir ein Stück Sicherheit gab mein Ziel weiter zu
verfolgen.
Zum
Bahnhof fahre ich wie gewöhnliche Leute mit der Tram und gehe vor
meiner Heimreise in der Innenstadt zum Essen – Leipziger Allerlei
und danach Eierschecke.
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